Der Col de Jaman und der Col de Soladier !

Wer hätte gedacht, dass wir zum Saisonende nochmals eine solche epische Tour fahren würden! Ab Montreux (375 m) fahren wir leicht abgeändert auf den Spuren der Panorama Bike Route Nr 2 und der lokalen Bikeroute Montreux Panorama Bike 599 zum Col de Jaman (1512 m) und Col de Soladier  (1576 m). Die Höhenangaben machen es klar, das wir kein Zuckerschlecken. Ich habe die gute Idee gleich zu Beginn etwas abzukürzen und nehme den direkten Weg hinauf nach Sonzier. Das wird mit einigen Bikeschiebepassagen abgestraft, während meine Frau den intelligenteren Weg entlang der Strasse und des Bahntrassees hinauf nach Les Avants fährt.

Ziemlich ausser Puste muss ich immer wieder eine Verschnaufspause einlegen und die Umgebung geniessen. Hinter mir öffnet sich einmal mehr der Blick auf das Mont-Blanc Massiv und den Lac Léman und vor mir zeigt sich das erste Etappenziel, der Col de Jaman und zur Linken gut sichtbar der Höhenweg durch die Wand des Cape au Moine. Meter für Meter erkämpfe ich mir im Sattel die Höhenmeter bis rauf zur Bahnstrecke bei Sollard.

Es folgen einige Kilometer entlang des Trassee der Montreux-Berner Oberland-Bahn (MOB). Faszinierend was die Ingenieure hier in den Berg geplant haben, denn wer kommt schon auf die Idee in diese Topographie eine Eisenbahn reinzubauen – der Col de Jaman ist ja alles andere als ein naheliegender Übergang für eine Eisenbahn, trotz Scheiteltunnel. Während ich mir die alten und neuen Bahntrasseekonstruktionen anschaue, pedalt es sich fast von selbst zum schmucken Bahnhof von Les Avants. Hier warte ich auf meine Frau, welche mit dem e-Bike via die normale Strasse überraschender- und ausnahmsweise erst nach mir ankommt.

Ab hier geht es richtig zur Sache, speziell der erste Abschnitt nach Les Avants ist brutal steil. Der Kopf weigert sich heute klein bei zu geben und so bleibe ich auf dem Mountainbike bis sich der Wald lichtet und den Blick auf den Pass und den ‚Zahn‘ des Jaman freigibt. Das Strässchen selber ist sehr kurzweilig und zum Glück sind die Temperaturen im angenehmen, sprich kühlen Bereich. Kurz vor der Passhöhe ist auf meinem GPS ein ‚Fotopunkt‘ eingetragen und tatsächlich ist der Ausblick auf fast den ganzen Lac Léman unbeschreiblich. Wäre es nur einen Spur schöner, könnte man wohl fast bis nach Genf sehen.

Zu unserem Erstauen ist das Restaurant Le Manoire geöffnet und dank der Fahrstrasse auch gut besucht. Wir ergattern in der urchigen Gaststube zwei Plätze und bestellen eine Stärkung. Meine hausgemachte Crèmeschnitte ist mit Abstand das Beste, was ich unter diesem Namen jemals gegessen habe. Merke: Die 50 Höhenmeter rauf zum Col de Jaman in jedem Fall in die Tour einbauen, es lohnt sich.

Das Panorama verleitet dazu vor dem geistigen Auge nur noch eine endlose Abfahrt runter zum Genfersee zu sehen – die Tourrealität ist eine andere. Nicht minder schön queren wir auf einem schottrigen Höhenweg die Bergflanke mit dem Namen ‚Les Verraux‘ bis zum Hof Soladier und weiter zum gleichnamigen Pass. Ich stelle mir vor, wie man hier nach mehreren Tagesetappen auf der Panorama Bike Route erstmals den Lac Léman vor sich sieht – diese nationale Bike Route hat ihren Namen definitiv verdient.

Auf dem Col de Soladier haben wir auf 1576 m definitiv das Limit erreicht, was man nach den Schneefällen der letzten Wochen mit dem Mountainbike befahren kann. Zum Glück hatte ich nicht meine erste Idee umgesetzt, die letzten zwei Etappen der Panorama Bike von Greyerz nach Montreux zu fahren. Die Schneesituation in Richtung Moléson sieht definitiv unfahrbar aus. Sowieso scheint mir der Anstieg zum Soladier selbst bei guten Verhältnissen kein Spass zu sein (besonders nicht für die e-bikende Ehefrau). Ich glaube ich hake diese Etappen mit dieser Tour ab.

Wie weiter? Entweder verliert man auf der offiziellen Route fast 255 Höhenmeter oder man nutzt einen Wanderweg unterhalb von Le Folly und quert mehr oder weniger direkt hinüber bis zum Le Bivouac auf 1512m. Für mich eine leichte Entscheidung, wobei ein grosser Teil des Wurzeltrails nicht fahrbar und die Abfahrt nach dem Aussichtspunkt sich ebenfalls als knackig herausstellte. Meine Frau war über diese Routenwahl wenig begeistert und ich musste einiges an Kommentaren einstecken – e-Biker halt. 😉 Aber dafür hätten wir das obige Panorama am Punkt 1613 nicht mitgenommen, was wirklich schade gewesen wäre.

Ab nun geht es über flowige Wiesentrails den Berg runter, gefolgt von etwas knifflig steilen Schotterabfahrten. Der geschmolzen Schnee hat im Wald einiges an Matsch hinterlassen, im Sommer dürfte das alles viel einfacher zu fahren sein.

Meine Frau schaut schon länger etwas sorgenvoll auf die Anzeige des Akkustandes ihres e-Bikes und glaubt meinen Beteuerungen, dass es fast nur noch runter gehe, nicht so recht. Bei einem der letzten unverhofften Anstiegen schiebt sie das schwere Bike vorsichtshalber. Ich selber schiebe auch, denn nach den vielen Höhenmetern sind bei mir die Akkus schon länger leer. Doch dann haben wir es tatsächlich geschafft.

Auf rassigen Schotter- und Waldstrassen fahren wir den Reben entgegen. Bei Blonay bewundern wir kurz das schöne Schloss. Speziell daran ist, dass die Familie Blonay das Schloss seit dem Jahr 1175 bis zum heutigen Tag bewohnt (mit einem kurzen Unterbruch im 18. Jahrhundert) – keine schlechte Leistung! Wir queren die Autobahn und fahren auf kleinen Wegen zurück nach Montreux.

Bei einem Glas Wein auf unserem Hotelbalkon lassen wir den Tag Revue passieren – was für eine grandiose Tour! Die Trailanteile sind klein, der Aufstieg ist lang, aber die Ausblicke und das Gesamterlebnis sind einfach einzigartig. Eine tolle Tour!

Statistik: 37.9 km, ca. 1478 Höhenmeter, Fahrzeit 4:10 h

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