Es gibt einen Regentag und der Regenradar von Meteo Schweiz wird heute mein bester Freund. Da die Prognosen nicht besser werden, starte ich bereits um 0800 Uhr, fröstelnd, in den feuchten Morgen. Auf der anderen Talseite schindet der Bahnviadukt mächtig Eindruck. Dieser führt zum Bahnhof St-Ursanne, der in eine Felswand gebaut zu sein scheint. Ich biege auf ein Strässchen ab und trotz grauem Himmel ist die Landschaft so richtig grün. Ein Schild weist auf die seltene Schachblume hin, welche gefährdet ist und nicht gepflückt werden darf. Sie wächst in diesen Auengebieten entlang des Doubs und fortan halte ich Ausschau, leider erfolglos.
So geht es gemütlich entlang des Flusses, über eine Holzbrücke und weiter bis zum Campingplatz Tariche (449m), der noch nicht öffnen darf und deshalb das zweite Frühstück im Café ausfällt. Es folgt ein Aufstieg zum Hof Le Poye und danach eine richtig happige Rampe nach Clos Girard. Mit Gepäck muss ich mich arg konzentrieren um den Abschnitt fahren zu können, Verschnaufpausen inklusive. Es folgen einige Singletrails entlang Waldränder und durch hochgrasige Wiesen. In Montfavergier hoffe ich auf ein Café aber diese Hoffnung ist im Jura oft vergebens. Die Feuchtigkeit kühlt aus, ich checke den Regenradar: Unterstellen oder Weiterfahren?
Es scheint, ich hätte noch einige Minuten. Leicht gehetzt geht es weitere 200 Höhenmeter hinauf bis ich mich mit den ersten grösseren Regentropfen in Les Sairains (975m) bei einem Hof unterstellen kann. Ich lasse mit Blick auf den Regenradar und einem Riegel im Mund den gröbsten Regen vorbeiziehen. Sobald man nicht mehr fährt, kühlt der Körper auf 1000m Höhe leider rasch aus. Ich ziehe an was ich habe und fahre trotz leichtem Nieselregen weiter. Wenigstens kann ich so als erklärter Schönwetterbiker ausnahmsweise meine Regenausrüstung testen.
Auf den nächsten Kilometern gibt es regenbedingt keine Fotos, obwohl die Strecke nun durch die klassische Landschaft der Jurassischen Freiberge führt – grüne Wiesen mit Pferden, durchsetzt mit Baumgruppen, welche besonders gerne in den allgegenwärtigen Dolinen wachsen. Der Nebel wird dichter und die Sichtweite sinkt auf unter 100m. Auch in Les Enfer findet sich kein offenes Restaurant zum Aufwärmen. Nochmals geht es rauf auf 1000m, bis die kurze Abfahrt zum Tourenziel, Saignelégier, der Schweizer Pferdehauptstadt, erreicht ist.
Ich fahre durchs Dorf als 200m vor der Unterkunft und 50m neben einem Bikeshop mit einem riesigen Knall die Luft aus dem Hinterpneu entweicht. Der erste Gedanke: Schei…! Der zweite Gedanke: Was für ein unglaubliches Glück, dass dies hier passiert! An jedem anderen Ort hätte ich stundenlang geschoben. Es ist ein Totalschaden, die Reifenflanke hat sich an der Felgenkante durchgescheuert. Zum Glück hat Vélo Passion ein passendes Modell (Chaoyang Victory, man nimmt was es hat) und mir damit den Ar… gerettet. Soviel zum Thema gute Vorbereitung auf eine Mehrtagestour.
Es ist kalt, ich bin durchnässt und entsprechend froh bereits am späten Mittag in der Gîte Chez Toinette anzukommen. Zum Glück hatte ich am Morgen telefoniert und noch das letzte Zimmer ergattert. Der Empfang ist sehr freundlich, das Zimmer neu, grosszügig und mit Küche und Balkon ausgestattet. Es gibt Gratiskaffee und die Offerte die Kleider zu waschen. Für das Mountainbike darf ich den Gartenschlauch nutzen und es gibt einen Platz in der Garage. Kurzum Top! Lustig ebenfalls die drei kleinen Miethäuser im unterschiedlichen Stil vor dem Haus. Und dann das Frühstück… Daumen hoch! Nachtessen gibt es in der Pizzeria Bellevue, ca 10min zu Fuss vom B&B entfernt. Gute Pizza aber die Hygienemassnahmen werden nur äusserst rudimentär umgesetzt.
Fazit: Eine wirklich kurze Etappe mit einem heftigen Aufstieg und schöner Freiberger Landschaft, welche heute nicht zur Geltung kam. Die Etappe zu verlängern ist schwierig, weil es zum Zwischenziel Saignelégier nicht viele Alternativen gibt und in der Region die Übernachtungsmöglichkeiten teilweise dünn gesät sind.
Statistik: 32,6 km, ca. 893 Höhenmeter, Fahrzeit 3:04 h