Jura Bike Etappe 5: Saignelégier – La Chaux-de-Fonds !

Nächste Etappe (Etappe 5 der Jura Bike) meiner Mehrtagestour mit dem Mountainbike durch den Jura. Man sieht die Hand vor dem Auge kaum und das hellt die Stimmung nicht sehr auf. Da brauche ich etwas für das Gemüt, was die Confiserie – Bäckerei Parrat mit einer leckeren Auslage liefern kann. Interessant, mit welchem ‚Style‘ die Bäckerei daherkommt – man sollte den Jura nicht unterschätzen. Die Bikeroute führt in einem grossen Bogen um die beiden bekannten Moorseen, den Etang des Royes und den Etang de la Gruère.

Tatsächlich ist es eine sehr schöne Strecke über Wiesen und durch lichte Wälder. Die vielen Pferde sind fast zu viel des Franches Montagnes Klischees. Mit dem Nebel kommt eine mystische Komponente dazu und wäre ich anfällig auf sowas, würde ich einen ‚Kraftort‘ nach dem anderen entdecken. Ich bin froh Technik dabei zu haben. Die Route ist gut beschildert, aber bei diesen Sichtweiten hat man immer gerne einen Track auf dem GPS am Lenker dabei.

Die Ambivalenz zwischen Mensch, Technik und Natur wird wohl das Motto dieser Etappe. Schon bald fahre ich entlang des Trassee der Tramelan – Noirmont Bahn. Im goldenen Eisenbahnzeitalter haben ganze fünf Bahnunternehmen einsame Dörfer verbunden, heute alles fusioniert zur Chemin de fer du Jura – interessante Geschichte! Natürlich sind die Freiberge auch Reitparadies, was sich in interessanten Viehgattern äussert, bei denen der Reiter nicht vom Pferd muss. Als Mountainbiker muss man sich erst an die Tore gewöhnen.

Über die Moorlandschaft ‚La Tourbière‘ umgeht die Route bewohntes Gebiet und schleicht sich von hinten dem Montagne du Droit an, besser bekannt unter dem Namen seines westlichen Gipfels, des Mont-Soleil. Der Sonnenberg ist heute ein schlechter Scherz. In den letzten Jahren wurde hier das grösste Windkraftwerk der Schweiz gebaut. Ich höre das periodische Zischen der riesigen Rotoren und sehe genau gar nichts, selbst nicht, als ich mich unter einen der riesigen Masten stelle. Die Energiefirmen haben hier ein halbes Ökostrom-Disneyland in den Jura gebaut, alle paar Meter Informationstafeln und Spielplätze – nun ja, die Bevölkerung muss überzeugt werden, alle wollen ja sauberen Strom, aber keiner will Solarzellen und Windräder in der Natur.

Ich suche stattdessen den Gipfel des Mont-Soleil (1291m), welcher juratypisch nicht zu finden ist. Ich würde mal sagen, dass von blossem Auge geschätzt, der obige Markstein sicher nicht der höchste Punkt ist, eher schon der Steinhaufen mit knorrigem Baum. Vom angeblichen Alpenpanorama sieht man nichts und das grösste Solarkraftwerk der Schweiz kann den heutigen Tag ebenfalls abhaken.

Es regnet nicht, aber der Nebel beschlägt die Brille und kriecht in die Kleider. So bin ich froh in der Auberge Mont-Soleil Chez l’Assesseur eine feine Currysuppe zu bekommen. Ich bin wohl der erste Gast seit der heutigen Nach-Lock-Down Wiedereröffnung. Ein wunderschönes Haus, von Innen wie Aussen. Weiter geht die Tour abwärts über Felder und einigen Singletrails nach La Ferrière. Danach stotzig durch die Kuhherde ins Tobel runter, in die Combe du Valanvron (847m). Hier ist man übrigens wieder auf Berner Boden. Die Kantonsgrenze verläuft bizarrerweise in einem unlogischen Zipfel bis 200m an die französische Grenze bei Biaufond hinauf, wo dieses grosse Tobel im Doubs endet.

In den Graben – aus dem Graben. Ich versuche den Aufstieg aufs Plateau auf einem echt steilen Schotterweg möglichst fahrend zu bewältigen – Zunge bei Fuss – dafür wenigstens nicht mehr fröstelnd. Bei nasser Witterung eine ziemliche Herausforderung. Der weitere Weg ist wieder juramässig, bis plötzlich in der nächsten Senke, aus dem Nichts, im Nichts, Hochhäuser erscheinen – eine Szenerie wie aus einem Sci-Fi Film. La Chaux-de-Fonds!

Die Stadt fasziniert jedes Mal wenn ich hier bin. Einerseits abstossend, verlotternd und irgendwie unschweizerisch. Anderseits mondän, modern und fast etwas utopisch inmitten der Kuhlandschaft auf 1000m Höhe. Tatsächlich ist die Stadt einzigartig, ihr amerikanischer Schachbrettgrundriss, ihre Industriegeschichte. Ich mache eine kleine Stadttour mit dem Bike und kaufe in einer Tankstelle mein Nachtessen ein. Ich habe keine Lust in der Stadt zu schlafen und fahre auf einer schnurgeraden steilen Strasse in Richtung Berg.

Die Stadtstrasse führt nahtlos in einen Waldweg, der weiter in gerader Linie ansteigt. Ich kämpfe im kleinsten Gang gegen das Gleichgewicht und die Steigung… aber Absteigen ist keine Option. Bald habe ich das Gröbste geschafft. Trotzdem kürze ich die offizielle Strecke etwas ab, auf die Zusatzhöhenmeter zum Pouillerel (1277m) bei null Sicht habe ich keine Lust. Endlich ist das Ziel erreicht, das Maison d’hóte Le Gros-Crêt (1255m). Ich bin der einzige Gast, was bei diesen Verhältnissen nicht erstaunt. Die Chefin kümmert sich rührend um mich und die Themenzimmer sind sehr interessant. Ich bin im Chevrolet Zimmer und erfahre so die ganze Story dieses Mannes, dessen Namen für die weltbekannte Automarke steht und der aus La Chaux-de-Fonds kommt.

So rauche ich nach dem Duschen im strammen Wind bei Nebel auf der Terrasse eine Zigarre und esse danach mein mitgebrachtes Nachtessen, inklusive einem Local Beer, ein Torpille aus der BFM Brauerei in Saignelégier. Und sonst? Sicher ein toller Ort mit Aussicht und selbst an diesem Tag hat das Haus und seine Lage viel Charme – empfehlenswert!

Fazit: Nun, diese Etappe macht bei stockdickem Nebel wirklich keinen Spass, dürfte aber bei schönem Wetter mit tollen Panoramen glänzen. Das Motto ‚Natur und Technik‘ stimmt auf jeden Fall und macht diese Etappe zu etwas Speziellem. Wer zudem an der sportlichen Leistung interessiert ist, dem bietet das Höhenprofil Genugtuung.

Statistik: 51,2 km, ca. 1161 Höhenmeter, Fahrzeit 4:20 h

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