Meine Frühsommermountainbikewoche steht dieses Jahr unter dem Motto / Hashtag #valleyhopping. Im Fokus sind verlassene Alpentäler oder zumindest Täler, welche ich noch nicht bebiked habe. Heute und morgen wird es das Val d’Hérémence sein. Bramois (511m) ist der Ausgangspunkt und es ist gar nicht leicht einen Parkplatz für zwei Tage zu finden. Der Wiesenparking beim Sportplatz ist die Lösung und ich bin gespannt ob das Auto morgen noch hier steht. 😉 Los geht es, erst Kaffee und Gipfeli, danach vorbei an den Kohleminen des Dorfes. Seit 1540 wurde hier mehr oder weniger intensiv bis und mit zum 2. Weltkrieg Kohle abgebaut. Anschliessend geht es so richtig steil rauf zur Hauptstrasse, die nach Vex führt. Ich will die breite und befahrene Strasse meiden und büsse mit giftigen Steigungsprozenten und einigen Schiebepassagen auf dem alten Weg.
Eine Verschnaufpause gibt es auf der geschlossenen Terrasse des Relais des Reines. Die Terrasse beeindruckt nicht nur mit einer grandiosen Aussicht ins Rhonetal, sondern auch mit einer lebendigen Plastik zweier kämpfenden Kühe. Es folgen einige Meter auf der Hauptstrasse nach Vex (939m), vorbei an der Kirche Saint-Sylve aus dem 12. Jh. 2014 startete ich hier meine VexLaax Mehrtagestour. Immer im Blick in den nächsten Stunden: Das vergletscherte Dent Blanche Massiv hinten im Val d’Hérens.
Statt obendurch will ich heute entlang der Ancien Bisse de Fan fahren, danach via die berühmten Pyramiden von Euseigne und der Bisse d’Euseigne rauf nach Pralong fahren. Der Einstieg in die Bisse oberhalb von Vex ist etwas knifflig, danach folgt Suonenflow vom Besten. Der coitus interruptus folgt an einem der kleinen Torrents. Der Weg, die Brücke und die Suone sind auf 10 Meter Breite weggerissen. Gewaltige Wasserkräfte haben massive Betonmauern wie Kiesel weggespült. Ab- und Aufstieg sind jeweils 3m senkrechte Wand und so muss ich schweren Herzens umkehren.
Zurück nach Vex und auf der Strasse nach Hérémence (1235m). Das Dorf hängt wie viele Dörfer der Region ‚am Hang‘ und bietet wunderbare Aussichten zur Verzweigung der beiden Südtäler Hérémence und Hérens. Gegenüber gut sichtbar die imposante Hängebrücke unterhalb von Suen. Wäre vielleicht auch eine Bike- oder Wandertour. Ebenfalls eindrücklich, die verwinkelte Betonkirche St. Nikolas. Was für ein Kontrast zu den sonnenverbrannten Walliser Holzhäusern. In einem Kaffee gibt es Znüni und dann geht es weiter auf dem ausgeschilderten Radweg ins Tal hinein. Die Passagen auf der zweispurigen Strasse finde ich trotz wenig Verkehr unlustig und so nehme ich ab Artseno einen Umweg über die höher gelegene Forststrasse.
Es ist heiss und ich bin müde – etwas lustlos esse ich inmitten der Alpenflora das mitgebrachte Sandwich von zu Hause. Einige Strassenkilometer später, die Staumauer der Grande Dixence nun im Blick, gibt es beim Campingplatz Pralong (1608m) Kuchen und Kaffee. Ich brauche den Boost für den Aufstieg zur Staumauer.
Es gilt Kräfte zu sparen für die nächsten 500 Höhenmeter. Dank 15 Spitzkehren ist der Aufstieg schliesslich mental problemlos und ehe ich mich versehe, bin ich im Tunnel und auf dem etwas sinnlosen Verkehrskreisel unmittelbar unterhalb der Staumauer. Natürlich muss ich mich und mein Mountainbike unterhalb die 285m hohe Staumauer stellen, übrigens das grösste Bauwerk der Schweiz. Einchecken im Hotel und die Gegend erkunden. Es wird nix mit Mountainbiken zum Lac des Dix. Wegen dem eidg. Jagdbanngebiet gilt absolutes Bikeverbot und dies ist sowohl unten wie oben an der Mauer klar ausgeschildert. Plan B ist eine abendliche Gondelfahrt für 10 CHF zur Staumauer.
Ohne Hygienemaske fährt man in der Gondel angenehm zu Viert, mit Maske wird das Bähnli vollgestopft. Ich wähle die erste Variante und lasse die Maske im Rucksack. 😉 Rasch geht es entlang der imposanten Staumauer nach oben. Das Panorama in beide Richtungen ist fantastisch. Auf der einen Seite das lange, grüne Tal, auf der anderen Seite der riesige, lange, alpine Stausee. Echt schade, musste das Mountainbike an der Staumauer warten.
Ich bin einiges an Staumauern gewohnt, aber die Grande Dixence protzt nochmals in einer anderen Liga. Unglaublich was hier gebaut wurde. Die Kiesproduktion wurde in der angrenzenden Combe de Prafleuri auf 2620m sichergestellt und der Zement kam per Seilbahn aus dem Tal bzw aus der Rhoneebene. Die Geschichte des Kraftwerkes Grand Dixence ist in einem Inforama verständlich aufbereitet. Noch imposanter ist das Einzugsgebiet, welches von Zermatt bis ins Val Ferret reicht. Einmal mehr ist das gesamte Gebirge mit Stollen durchlöchert und die Stromproduktion selber findet unten im Rhonetal statt.
Am Abend wandere ich nach dem Nachtessen zur Kapelle Jean Baptiste, die durch die Arbeiter der ersten Staumauer in den 30er Jahren gebaut wurde. Wie wohl das Zitat von Vergil, „Labor omnia vincit improbus„, eingegossen in die Kirchenglocke, auf die Arbeiter gewirkt haben mag? Ein schöner Ort, umschlossen von Bergen und Beton, der zum Nachdenken inspiriert, derweil weiter oben die Steinböcke interessiert runterschauen.
Untergebracht bin ich in einem Betonklotz-Hochhaus mit 8 Etagen, welche eindeutig für Arbeiter gebaut wurde und von diesen wohl etwas sarkastisch mit ‚Le Ritz‘ bezeichnet wurde. Das Hotel du Barrage hat seinen ganz eigenen Charme. Heute Abend sind wir, ich eingeschlossen, ganze drei Gäste, dies trotz freundlicher Gastgeberin, sehr gutem Halbpensionsmenu und einem günstigen Preis. Ich denke da bezahlen wir mit der Stromrechnung noch etwas dazu. In jedem Fall kein alltäglicher Ort zum Schlafen und eine Erfahrung wert.
Fazit: 1775 Hm Aufstieg durch das Val d’Hérémence, wobei es bei der Routenwahl noch Optimierungsbedarf zur Nutzung der Talstrasse gibt. Ich freue mich bereits auf die 2000 Hm Abfahrt morgen.
Statistik: 32.5 km, ca. 1775 Höhenmeter, Fahrzeit 3:57 h