Ich habe besser geschlafen als man es für ein Massenlager denken könnte. Wie immer versuche ich nach dem etwas kargen Frühstück vor den ersten Wanderern auf der Abfahrt zu sein. Mit kalten Muskeln starte ich vorsichtig in den alpinen Wanderweg. Doch der Flow übernimmt rasch.
Frühmorgendliche Abfahrten von SAC Hütten haben ihren eigenen Charme und sind meistens per Definition toll. Die Abfahrt von der Keschhütte (2627m) durch das Valzana nach Tuors Chants (1823m) macht da keine Ausnahme. Der Weg ist mehrheitlich ein gut fahrbarer Karrweg und nur im mittleren Teil sind einige weniger flowige Passagen. So werden 800 Höhenmeter in kurzer Zeit vernichtet.
Weiter geht es auf Schotter und Asphalt bis runter nach Bergün (1364m). Das wildromantische Val Tuors entschädigt für die fehlenden Singletrails. Eindrücklich die Schotterberge, welche von den steilen Flanke der Ducankette ins Tal transportiert werden. Hier muss wohl nach jedem Unwetter ein Bagger erst wieder die Strasse freiräumen. Ursprünglich hatte ich für heute die Rückkehr nach Davos über die Ducanfurgga geplant. Nach den gestrigen Schneefeldern lasse ich den 2664m hohen Übergang lieber sein.
Alternativ gibt es einen guten Kaffee in Bergün, gleich neben der mächtigen Brücke über den Ava da Tuors. Entlang des Bikewegweisers geht es auf der Route 242 (Albulatour), mit einem Zusatzloop über Crestas da Buel, auf alten Karrwegen runter nach Filisur (998m). Ein Bergsturz nach Bellaluna wird lokal auf der gegenüberliegenden Talseite umgangen. 1630 Höhenmeter Abfahrt zum Frühstück, nicht schlecht!
Ab hier sind die Rhätische Bahn, taxiert als UNESCO Welterbe und die alten Verkehrswege, die Stars der Region. Ich folge auf mehreren Kilometern dem Bahnerlebnisweg Albula mit seinen informativen Schautafeln. Hinter Filisur geht es rauf zum Bahnhof, wo sich die Albulalinie von der Bahnlinie durch das Landwassertal trennt. Durch die Bäume erspäht man einen ungewohnten Blick auf den Landwasserviadukt. Auf Strässchen geht es rauf bis zum Schönboden, wo ich mit einer Gruppe österreichischer Mountainbiker eine lustige Znünipause verbringe.
Es folgt ein super flowiger Singletrail durchs Cavja, kleine Gegenanstiege inklusive, zum Bahnhof nach Davos Wiesen. Das Highlight ist besonders der Wanderweg über den Wiesener Viadukt, welcher auf 89m Höhe die Landwasser überquert. Die Ausstellung zur Baugeschichte gibt es im Wartesaal des Bahnhöflis. Leider scheint die Beiz ‚Bim Statiönli‘ Geschichte zu sein, dafür gibt es einen Food Truck mit guter Davoser Salsiz. Als der RhB Oltimer Touristenzug vorbei fährt, ist fast zu viel Eisenbahnromantik an einer Stelle versammelt!
Ab hier geht es spektakulär auf bekannten Wegen über die historische Zügenstrasse durch die Landwasserschlucht. Zur Zeit wird die Strasse aufwändig restauriert und versucht, den historischen Originalzustand soweit möglich wieder herzustellen, sprich – weniger Beton, mehr Natursteinmauern.
Ab Schmelzboden gibt es leider keine echte Alternative zur Kantonsstrasse um nach Davos Glaris zu fahren. Das ist echt ärgerlich, im Südtirol hätte man längst einen Talradweg gebaut. Hier dagegen führt man Wanderer und Velofahrer bei Ardüsch sogar durch den Strassentunnel. Na ja. Einige Kilometer weiter und ich bin zurück in Davos Platz am Ausgangspunkt beim Auto.
Fazit: Wer die Scalottapass – Keschhütte Tour von und nach Davos an einem Stück fährt, hat meinen vollen Respekt. In zwei Tagen mit Übernachtung in der Keschhütte ist es eine ideale Tour, die sich bei Bedarf mit alternativen Wegen durch das Landwassertal oder gar der Ducanfurgga kombinieren lässt.
Statistik: 45.9 km, ca. 833 Höhenmeter, Fahrzeit 3:43 h, 1904 Höhenmeter abwärts
Einfach immer wieder toll Deine Beiträge aus allen Landesteilen. Reich bebildert und informativ geschrieben.