Seit mehreren Jahren verfolge ich mit grossem Interesse die bekannten Mountainbike-Selbstversorgerrennen, wie beispielsweise die Tour Divide oder die Grenzsteintrophy. Seit einigen Jahren scheint mir daraus ein regelrechter Trend in Form von Bikepacking entstanden zu sein, dies noch befeuert durch den Gravel Bike Hype der letzten Zeit. COVID-19 sei Dank habe ich mich in den letzten Wochen etwas intensiver mit der Thematik auseinandergesetzt. Schliesslich gibt es bei geschlossenen Touristikinfrastrukturen, Grenzen und Restaurants kaum eine bessere Variante als alleine und autonom mit Zelt und Rad auf Bikepackingtour zu gehen.
Je mehr ich mich mit dem Thema auseinandersetze, umso vielfältiger werden die zu beantwortenden Fragen. Ich versuche in diesem Beitrag etwas die Gedanken zu ordnen.
Singletrail oder Feld- und Schotterwege?
Die Frage könnte man auch anders stellen: Fully oder Hardtail bzw Alpencross- oder Bikepacking Setup? Ich bin und bleibe ein Mountainbiker. Singletrails bleiben deshalb im Zentrum und schon aus diesem Grund sehe ich keinen Bedarf für ein echtes Gravelbike. Trotzdem ist es ein Fakt, dass bei Mehrtagestouren ein Grossteil der Strecke nicht auf Singletrails stattfindet. Mir bleibt aber Qualität statt Quantität wichtig – ich will geniessen, Zeit haben für Kultur, Natur und Singletrails. So bin ich mit meinem 45 km / 1800 Hm Tagesplanungsziel relativ weit von den Langstrecken Bikepackern entfernt. Die Gretchenfrage: Machen Singletrails mit einem Bikepacking-Setup Spass? Ich würde mal sagen – eher Nein!
Übernachten und Essen?
Die entscheidende Frage ist wohl jene nach dem Zelt. Wer im Zelt übernachten will, kommt nicht an Bikepacking vorbei und die Konsequenz ist meistens ein Hardtail, da sich an einem Fully all die Ausrüstung nur schwer unterbringen lässt (bzw keine Drops mehr zulässt ohne das irgendwas ansteht). Das gilt doppelt, wenn man selber kochen will. Für mich persönlich gehören Zelt und selber kochen zusammen. Wenn schon Camping, dann richtig. Nur kalt essen wäre für mich keine Option. Da die Ausrüstung superleicht sind muss, ist eine bedeutende Investition nötig. Wir sprechen von Zelt (zB MSR Hubba NX), von Schlafsack und Matte. Die Debatte um diese drei Ausrüstungsgegenstände füllt ganze Internetforen. Natürlich lockt das verklärte und romantische Bild von der wilden Campingübernachtung, aber meine gefühlte Realität ist geprägt von frierenden oder verschwitzten Nächten, von der Suche nach dem idealen, ungestörten, ebenen, heringfreundlichen Stellplatz, von harten Böden und geräderten Rücken. Wenn ich ehrlich bin? Ich bin zu alt (bzw. zu bequem) um eine Woche zu zelten, speziell wenn die Bedingungen nicht perfekt sind und finanziell kann ich mir Hotels und Restaurants leisten. Zudem ist Wildzelten in der Schweiz oft illegal und ungestörte Plätze sind nicht einfach zu finden.
Das Bikepacking-Bike?
Mein Titanium Hardtail würde sich grundsätzlich wohl für den Aufbau eines Bikepacking Bikes eignen. Der Teufel liegt aber im Detail. So ist mein Rahmendreieck nicht sehr grosszügig bemessen. Entsprechend schwierig fällt die Suche nach den Taschen aus und wer keine Masstasche anfertigen lässt, kauft beinahe besser die Tasche und danach das Bike. 😉 Problematisch ist so oder so die Unterbringung der Flüssigkeit. Für die Schweiz reicht zum Glück eine Flasche und vielleicht noch 0.5l Notvorrat aus. Ein weiteres Problem ist die Mobilität des Gepäcks. In der Variante Hotel will man mit wenigen Handgriffen am Abend und Morgen das Gepäck mit aufs Zimmer nehmen können. Da fallen fest montierte Packsäcke und -rollen schon mal weg.
Fazit ?
Bikepacking ist für mich persönlich ein Outdoortraum, den ich lieber im Internet konsumiere als in der Realität mit einem vollgepackten Bike auf Singletrails auszuleben. So habe ich zur Zeit meinen Kompromiss für gefunden:
- Mehrtagestouren – Hardtail mit Rahmentasche, leichter Rucksack und gut ist.
- 1-2 Übernachtungen im alpinen Gelände – Fully mit optimiertem Rucksack.
Soweit meine aktuelle Einschätzung… Wenn ich im Alter noch zum Radreisenden werde, werde ich diese Zeilen sicher revidieren.
Interessantes Thema – so individuell verschieden wie die Menschen selbst.
Wo die einen mit einem schwer beladenen Drahtesel und selber kochen glücklich werden, brauchen andere Leichtbau und Gourmetküche im Klassehotel..
Ohne Kompromisse geht es kaum, vom Bike über die Ausrüstung bis zur Nachtstätte.
Und wie Du schon erwähnt hast, ändert man seine Einstellung auch mal im Laufe der Zeit.