Das Wetter ist mittelmässig, die letzten Gewitterwolken hängen dampfend in den Tälern. Ich habe wieder mal Lust auf einen Gletscher und den gibt es in den Waadtländer Alpen ausser auf der Diablerets nicht wirklich. Mein Blick fällt auf den Glacier du Trient, welchen ich schon vor Jahren auf der To Do Liste hatte. Ab ins Auto und rauf auf den Col de la Forclaz (1527m). Es rieselt feucht aus dem Nebel, Zeit für einen zweiten Kaffee im Passrestaurant und damit hoffentlich Anspruch auf einen Parkplatz.
Los geht es auf der Bisse Trient-Combe. Wie entlang aller Suonen ist der Wanderweg flach und gleichzeitig spektakulär. Hoch über der Ortschaft Trient schlängelt sich der Weg dem Fels entlang. Die Strecke hat einen ganz speziellen Twist: Ursprünglich wurde er für eine Rollbahn gebaut, welche ab dem Jahr 1883 dem Eisabbau diente. Von der Gletscherzunge, die damals bis auf 1600m runter reichte, wurden täglich bis zu 30 Tonnen Gletschereis abgebaut und nach ganz Europa geliefert, bis nach Paris! Keine Ahnung wie das Eis die französische Hauptstadt erreichte ohne zu schmelzen. Die Erfindung der Eismaschine im Jahr 1876 machte diesem Industriezweig ein langsames Ende.
Im Anschluss wurde 1895 die Bewässerungssuone gebaut. Heute steht dort eine Buvette (1577m) für die Wanderer. Unterhalb wird das Gletscherwasser weiter genutzt und über kilometerlange Tunnel bis zum Kraftwerk Emosson geleitet. Vom Gletscher ist wegen den tiefen Wolken leider nichts zu sehen. Somit geht es in den Aufstieg zur Alp Vésevey (2103m). Der Weg ist abwechslungsreich, besonders entlang einer bewaldeten alten Seitenmoräne mit grossen Felsblöcken. Ich leide ziemlich, keine Puste, keine Kondition. 😉 Auf den Holzplanken eines uralten Unterstandes warte ich auf die Sonne und den freien Blick auf den Gletscher. Die Natur meint es gut und gibt bald die Sicht auf den Trientgletscher frei, der zerklüftet über dem felsigen Abhang hängt.
Die Route ist Teil der berühmten Mont-Blanc Umrundung und so treffe ich auf eine kleine Völkerwanderung, die vom Fenêtre d’Arpette runtersteigt. Wanderer aus der ganzen Welt, besonders Amerikaner und Asiaten mit riesigen Rucksäcken schlängeln sich die Bergflanke runter. Ich bin einmal mehr erstaunt, dass die meisten mit Trekking- oder Turnschuhen unterwegs sind. Dabei hat der Weg die eine oder andere Schlüsselstelle, welche bei den heutigen feuchten Verhältnissen Trittsicherheit verlangt.
Ich mache mich auf den Abstieg zu einem Zwischenbier in der Buvette. Das Vertrauen in mein linkes Knie ist auch nach all den Jahren nicht hundertprozentig und so wähle ich die Schritte mit bedacht und viel Konzentration. So ein Wanderstock wäre wohl nicht die dümmste Idee. Den Rest der Tour mache ich bei bestem Wetter, leider habe ich im Rücken keine Augen für die grandiosen Blicke auf den Gletscher. Ein Walliser Südtal und ein Gletscher mehr, den ich auf der Karte abhaken kann!
PS: Die folgenden Tage hatte ich mal wieder Muskelkater aus der Hölle. Ich müsste wirklich mehr Wandern.
Statistik: 12.6 km, 713 Hm