Neuer Tag, neues Glück und ein grauer Himmel über dem Piz Beverin. Das Safiental hat sein eigenes Wetter, wie wir später sehen werden. Ich parkiere heute das Auto bei der Badi Thusis (697m) und nehme nach einem zweiten Frühstückskaffee das Postauto bis Obertschappina (1579m). Während der Saison kommt man mit dem gelben Shuttle bis zum Glaspass (1846m). Ich trete auf dem Strässchen mit kalten Muskeln die restlichen Höhenmeter selber hoch.
Ausser den Gemeindearbeitern, welche die Strasse ausbessern, ist kein Mensch unterwegs. Auf dem Pass hat es dafür die ersten weissen Schneeflecken in der grünbraunen Wiese. Der Pass und das schon geschlossen Berggasthaus Beverin sind bei Bikern sehr bekannt, sei es auf der Alpine Bike oder der Graubünden Bike Route. Und wieder geht es auf historischen Pfaden weiter.
Ein alter Saumpfad, früher Handelsroute der Safier, führt in steilen Serpentinen runter nach Safien Platz (1315). Der obere Teil ist sehr gut fahrbar, danach musste mindestens ich an einigen Stufen und Spitzkehren absteigen. Freiwillig vom Rad geht man in der kurzen und spektakulären Felspassage. Ein Blick zurück, unten im Tal, lässt einem daran zweifeln soeben diese Felswand runtergefahren zu sein.
Die Suche nach irgendeinem Restaurant ist erfolglos, das Tal hat im November ‚dichtgemacht‘, wegen Corona sowieso. So fahre ich auf der einzig vorhandenen Strasse das Safiental hinauf. Ich bin unterdessen so alt, dass ich der ehemaligen Naturstrasse von ‚früher‘ nachtrauern kann. 😉 Der Weg und das Tal ziehen sich und der Anstieg bis Bäch ist heftiger als geahnt. Doch ab Thalkirch öffnet sich der wunderbare Talkessel, für den das Safiental unter anderem bekannt ist.
Von Thalkirch geht es zum Turrahus, wo mich der Hofladen bezüglich Verpflegung rettet. Statt einem tollen Plättli, wie vor Jahrzehnten auf der Terrasse des Restaurants, gibt es heute eine feine Salsiz, zahlbar gar mit Twint! Ich fahre bis Büel / Wanna (1746m) und geniesse die Wegzehrung, angelehnt an eine wärmende Holzfassade, mit Blick auf das Ausgleichsbecken, dessen Wasser mit dem Zervreila verbunden ist. Ruhe einsaugen!
Eigentlich plante ich bis z’Hinderst (1803m) zu biken, nur schon wegen dem Flurnamen. Irgendwie verliess mich die Motivation und so bleibt ein Grund um wieder mal ins Safiental zu kommen, natürlich auch wegen dem Tömül Pass, der schon lange auf der To Do Liste steht. Bei der Thalkirche fallen mir die roten Beeren der Sanddornsträuche auf (hoffentlich sind sie es und nicht Vogelbeeren). 😉 Vorletztes Jahr hatte ich teuren Sanddornsirup aus dem Graubünden für mein Weihnachtsmenü bestellt und mir war diese Pflanze bis dato nur ein Begriff aus Nordeuropa. Interessant: Hat man den Blick dafür, sieht man plötzlich mehr.
Ich freue mich auf die lange Abfahrt bis zum Rhein. Trotz Sonne ist es ziemlich kalt und ich ziehe mich entsprechend wärmer an. Zum Glück habe ich die Regenjacke dabei. Rassig, die kleinen Gegenanstiege blenden wir aus, geht es auf der Talstrasse zurück bis zum Stausee (1153m) bei Egschi. Hier wechselt man die Talseite und was folgt ist eine der besten Naturstrassen der Region.
Vor Jahren bin ich die Strecke in Gegenrichtung mit meinem Sohn gefahren. Der Bericht gilt immer noch! Der Weg ist spektakulär, ausgesetzt, interessant. Die Tunnels, die Querung der Tobel, die tiefe Sonne, der Herbstwald. Ein Genuss! Für diese Strecke verweise ich gerne auf die Glaspass Tour der Ride.
Die Abfahrt will nicht enden, in der Ferne gut sichtbar Flims und der Bergsturz, welcher für die heutige Rheinschlucht verantwortlich ist. Irgendwo auf der Höhe Schulms geht der Schotter über in Asphalt, der Spass bleibt. Keinerlei Gegenverkehr und so kann man bei guter Sicht mit viel Geschwindigkeit die Kurven schneiden. Erst bei Sigl Ault (945m) geht es links weg und direkt auf die ausgesetzten Trails hoch über der Ruinaulta.
Dieses Mal nehme ich den ganzen Abfahrtsspass mit und fahre dem Track entlang weiter durch den Wald, über die Hauptstrasse und danach erneut an die Abbruchkante zum Rhein und auf die schönen Trails rund um den Bot Tschavir. Ein zwingender Stopp ist die Aussichtsplattform bei der Burgstelle Wackenau. Fast schon kitschig, wenn die rote Rhätische Bahn entlang des opalfarbenen Flusses fährt.
Der Endspurt führt über die Wiesen zum Schloss und weiter zur Bahnstation Reichenau, wo die RhB den müden Mountainbiker bequem zurück nach Thusis fährt.
Fazit: Eine geniale Tour mit perfektem Aufwand und Ertrag Verhältnis. Dazu tolle Trails am Glaspass und entlang der Rheinschlucht, eine interessante alpine Kulturlandschaft im hinteren Safiental und ein genialer historischer Weg entlang der rechten Talflanke. Ich denke man spürt meine Begeisterung und die spezielle Stimmung im November hat sicher dazu beigetragen.
Statistik: 54.3 km, ca. 1056 Höhenmeter, Fahrzeit 4:04 h, 2005 Höhenmeter abwärts
In meinem Blog gibt es auch eine Runde mit Start und Ziel Bonaduz 🙈 … wenn man 2000 hm strampeln will.
Ich kann übrigens auch den Bischolpass empfehlen. Mir hat er besser gefallen als der Glaspass. Es gibt halt mehr Trails 😉.
Und ja, der Tomül fehlt mir auch noch.