Pfingstsonntag – die Sonne weckt uns im Schlosszimmer und das Frühstücksbuffet stärkt die Muskeln. Ein Tag für eine Bilderbuchtour. Ich suchte mir auf der Karte das Valtournenche aus. Das Tal führt in Süd – Nord Richtung aus dem Aostatal und schliesst mit dem Monte Cervino ab, bei uns besser als Matterhorn bekannt. Die Idee ist es, auf der rechten Talflanke, immer Höhe haltend, so weit zu fahren, bis das Matterhorn in voller Pracht vor mir liegt.
Der erste Abschnitt führt auf einem malerischen Höhenweg von Saint-Vincent (575m) nach Westen, durch die Reben die Talflanke hinauf, hinein ins Valtournenche auf einem unbefahrenen Strässchen. Entlang der Suone ‚Ru Gagneur‘ fahre ich bis zum Talgrund, wo auf einem kurzen Abschnitt eine Galerie der Hauptstrasse zu überwinden ist. Danach zweigt ein Schotterweg ab und man fährt entlang des Flusses Marmore nach Grand-Moulin (1020m) beim Dorf Antey-Saint-André. Der Supermercato hat zum Glück geöffnet und so kann ich etwas Proviant einkaufen. Gleichzeitig sieht man am Talende die wunderbare mächtige Flanke des Matterhorns.
Fertig lustig – die nächsten Kilometer geht es auf einer mehr oder weniger steilen Strasse rund 7.5 km den Berg rauf. Die Distanz ist präzis alle 100m am Strassenrand markiert. Beim Lago di Lod lohnt es sich eine kurze Pause zu machen. Das Zwischenziel – La Magdeleine – ruft bereits am Gegenhang. Etwas später stehe ich schliesslich in diesem Bergdorf (1642m) und mache beim Dorfbrunnen Mittagsrast – wunderbares Panorama inklusive.
Leider ist das Talende noch weit entfernt und ich muss ‚eine Ecke‘ weiter fahren. Der Weg nach Chamois ist ein echtes ‚Schmackerl‘. Ein breiter Suonenweg verläuft leicht steigend der Bergflanke entlang und gibt immer wieder die Aussicht auf das Valtourneche und die mächtigen Berge frei. Der Name des Weges auf der Karte: Gran Balconata del Cervino – wahrlich!
Vorbei am Weiler ‚Suisse‘ geht es bis ins nächste Bergdorf – Chamois (1820m). Hier führt eine Gondelbahn rauf und entsprechend ‚lebendig‘ ist es. Die Tour nagt an meinen Beinen und die Zeit rückt immer weiter vor. So bleibt keine Zeit für eine Einkehr ins Restaurant. Ich will ja das Matterhorn sehen und dazu muss ich rauf ins Skigebiet.
Der Aufstieg via Alp Forésus ist zunehmend steiler und beschwerlich. Die Höhe und die bereits gefahrenen Höhenmeter fordern ihren Tribut. Immer wieder muss ich schieben und kurze Atempausen einlegen. Zeit um die famose Landschaft zu geniessen, die irgendwo zwischen Winter und Frühling schwankt. Beim Falinére Sessellift quere ich das erste Altschneefeld der Skipiste.
Endlich stehe ich auf dem Col Cheneil (2279m) inmitten von Enzians und altem Schnee. Zu Fuss geht es noch wenige Meter rauf zum Aussichtspunkt auf 2300m. Unter mir liegt das Tal und die Gemeinde Valtournenche, gegenüber sind die Viertausender Dent d’Hérens und das mittlerweile in Wolken verhüllte Matterhorn. Im Sommer könnte man nun die Tour fortsetzen – Heute ist hier Schluss, weil ich Lust auf Abfahrt habe und weil der Nordhang noch viel Schnee hat.
Ähnlich wie gestern verzichte ich auf eine ungewisse direkte Abfahrt ins Tal und geniesse dafür die ‚bekannten‘ 25 km und 2000 Höhenmeter Downhill nach Saint-Vincent. Einige Trailexperimente dürfen natürlich nicht fehlen. So nehme ist zuerst die Direttissima entlang der Torrente Chamois. Dabei muss ich noch den eindrücklich abschüssigen Höhenflugplatz von Chamois bestaunen. Da würde ich gerne mal Flugzeuge starten und landen sehen. Wer mehr sehen will – einfach bei Youtube nach ‚Altiporto Chamois‘ suchen.
Ab La Magdeleine gehe ich mutig ein Experiment ein – die direkte Abfahrt auf unbekannten Wanderwegen nach Saint-Vincent via den Weiler Promiod und den Sentiero 6. Der erste Abschnitt ist noch eine Waldstrasse, danach folgt ein alter Wiesenweg bis nach Promiod. Das ist nur ein Vorgeschmack auf was nun die nächsten 700 Höhenmeter folgt. Ein uralter Karrweg, der sich steil, teilweise in Serpentinen, die Bergflanke runter windet.
Auf den Fotos sieht es harmloses aus als es ist. Der Weg ist durchaus steil und die Pflästerung ist nur an wenigen Stellen noch schön. Der Rest ist eine grobe Stein- und Schotterorgie. Irgendwie bin ich heute aber sehr gut drauf und ich fahre fast alles runter. Das sind diese Tage, an denen die Sturzangst irgendwie weg ist und das Vertrauen in das Fully, die Haftung der Reifen und die Federung mit jedem Meter steigt und der Bremsfinger statt verkrampft locker bleibt. Für mich war diese Abfahrt ein echter Volltreffer – aber wie gesagt, wem es eine Spur zu schwer ist, der schiebt die ganze Strecke abwärts.
Adrenalingeladen biege ich gleich in einen völlig überwucherten, flachen Singletrail nach Barmusse ein. Wegen dem hohen Gras und den teils sehr schmalen Abschnitten, verlangt der Weg nochmals volle Konzentration – im Sommer ist hier wohl völliger Blindflug angesagt, wenn das Gras nicht gemäht wird. Das ist der würdige Abschluss für diese nicht unharte Frühlingstour zum letzten Schnee. Der Ausflug ins Val Aosta hat sich gelohnt und ich bin wohl nicht zum letzten Mal in dieser Region.
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Statistik: 50.8 km, ca. 1979 Höhenmeter, Fahrzeit 5:53 h
@All
Danke für die vielen Kommentare – Das Aostatal scheint wirklich noch viele Touren auf Lager zu haben und ich werde den Tipp von Ventoux berücksichtigen und mir das Buch wohl kaufen.
Hey, schöner Bericht über die Gegend. Sollte dort auch mal wieder vorbeischauen. Echt traumhaft die Bilder, da kriegt man wieder richtig lust auf Urlaub 🙂
Super Bilder & Tour, die Römerwege sind in der Tat tückisch zu biken, ich bin schon einige dieser Karrenwege mit meinem Fatie ( Salsa Bucksaw Fully ) gefahren mit wenig Bar 0,5 / 06 gut und weniger geschüttelt zu bewähltigen!
Danke, dieser Bericht hat wieder mal die Sehnsucht bei mir geweckt…;-)
Solche „urwüchsige“ Gebiete, abseits des Massenstroms begeistern mich immer mehr!
Schön dass Du das Aostatal auch entdeckt hast. Es gibt da noch so viel zu entdecken. All die Seitentäler haben es in sich, ich empfehle Dir unbedingt auch die südlichen Täler zu erkunden. Ich habe mir das Buch „Mountainbiken im Aostatal“ zugelegt, insgesamt sind hier 61 Touren beschrieben. Ich werde im August auch wieder eine Woche da sein und mich dann noch mal an die ganz hohen Übergänge machen.
Hey schon schön brav in den Bergen unterwegs. Klasse Bilder, da freut man sich doch gleich so richtig auf die Hochtouren Saison. Das Aostatal kenne ich noch nicht, muss ich aber wohl auch mal besuchen gehen. Danke für den tollen Bericht!