Vor zwei Monaten sah ich per Zufall einen tollen Biketrail während einem Helikopterflug über den Col du Sanetsch. Nachdem ich noch das Video dazu gesehen hatte, musste ich noch vor dem ersten Schneefall dahin. Da der heutige Tag eher unter dem Kapitel Projekt lief, war das Wetter ausnahmsweise egal. Gut eingepackt fuhr ich in aller früh via Gstaad nach Gsteig zur Talstation (1209m) der kleinen Gondelbahn hinauf zum Sanetschstausee.
Sonntags früh um 0830 Uhr war ich natürlich der erste und einzige Kunde, aber die Bahn transportierte mich pünktlich in kürzester Zeit auf den Berg (2062m). Der Spass kostete mit Halbtax 15 CHF. Zu meiner Freude lichtete sich der Nebel und da und dort gab es blauen Himmel. In der Auberge du Sanetsch genehmigte ich mir einen Kaffee zum Aufwärmen. In der kühlen Morgenfrische pedalierte ich über die Staumauer entlang des Sanetschsees in Richtung Passhöhe.
Auf dem Col du Sanetsch (2252m) sieht man zur Linken den langezogenen Grat hinauf zum Arpelistock. Auf der Karte ist er als Arête de l’Arpille bezeichnet. Eigentlich ist das ganze nicht mehr als ein grosser Schutthaufen aus feinem Schotter und hat etwas von den typischen Locations in den einschlägigen Bike-Filmen. Zur Rechten zieht sich bis an den Horizont das eindrückliche Karstgebiet des Tsanfleuron und darüber thront der gleichnamige Gletscher der Les Diablerets Gruppe.
Wenig erstaunlich ist der Grat aus der Bodenperspektive etwas steiler als aus dem Helikopter. 😉 Ohne Bikeschieben und -tragen geht da nichts. Leider gibt es auf 2450m eine Schlüsselstelle, wo ich mir wegen dem rutschigen Boden ein Weitergehen nicht mehr zutraue. So lasse ich das Bike liegen und steige in strömendem Regen und bei Windgeschwindigkeiten so um die 80 km/h weiter den Grat hinauf.
Nach der besagten Schlüsselstelle wird der Grat übrigens wieder zunehmend begeh- und damit befahrbar. Nach dem Panoramafoto kehre ich um. Nach einem weiteren heftigen Regenschauer ist an Fahren nicht mehr zu denken. Mit jedem Schritt werden Schuhe und das Mountainbike schwerer mit Schlamm vollgepackt. Irgendwann dreht sich nichts mehr. Unglaublich, sowas habe ich noch nie erlebt. Sobald es etwas flacher wird, heisst es Augen zu und durch. Mit der nötigen Fliehkraft wird das Bike wieder leichter und fahrbarer.
Ziemlich durchnässt und vollgepflastert mit Lehm fahre ich einige Meter runter in Richtung Wallis bis zum Restaurant du Sanetsch. Zum Glück habe ich einen Satz Ersatzwäsche im Rucksack, sonst hätte man mich nicht eingelassen. In Socken geniesse ich einen warmen Tee und den obligatorischen Walliserteller. Frisch aufgewärmt bin ich wieder fit für neue Abenteuer. Ich brauche noch etwas Kilo- und Höhenmeter und so fahre ich ins Tal ab, wissend, dass der Heimweg in die andere Richtung führt.
Ein steiler, alter Karrweg führt in Richtung Tsarein und Glarey. Beim Punkt 1754 muss ich mich zwischen Karrweg und Wanderweg entscheiden. Da ich nicht irgendwo in einem Tobel enden will, folge ich dem Wanderweg, was sofort Schiebepassagen zur Konsequenz hat. Laut Karte könnte man wohl den anderen Weg trotzdem fahren. Dafür passiere ich einen spektakulär zertrümmerten Strommast. Der ganze Mast wurde eine Etage tiefer gelegt. Etwas unangenehm ist nur, dass die tiefhängenden Kabel noch etwas bedrohlicher in der Luft surren.
Nach einer rasanten Abfahrt bis auf 1440m geht es schliesslich in endlosen steilen Kehren wieder hinauf in Richtung Passhöhe. Im letzten Drittel gilt es noch eine Felswand durch einen Tunnel zu umgehen. Der Tunnel ist zwar Solarstrom-beleuchtet, aber ein Notfalllicht ist empfehlenswert. Langsam geht mir die Puste aus und im oberen Teil kämpfe ich zunehmend. Auf den letzten Metern vor der Passhöhe muss ich noch einige Male anhalten um das Panorama zu geniessen und den Puls zu beruhigen.
Wer den Col du Sanetsch von Sion (491m) bis zur Passhöhe mit dem Fahrrad befährt, hat es wirklich drauf! Aber eben, Gletscherblicke sind auch in den Alpen nicht umsonst zu haben. Auf der Passhöhe ist übrigens die Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Nordsee. Verschiedene Schautafeln orientieren über das Karstgebiet, den Gletscherschwund der letzten 150 Jahre und über die Geburt der Saane, die als Rinnsaal hier ihren Lauf nimmt. Eine sehr interessante Gegend an der Schweizer Sprachgrenze!
Ich fahre zurück zur Auberge und kehre nochmals in der heimeligen Gaststube ein. Dank fünf hausgemachten Sorbetkugeln auf dem Holzbrett serviert komme ich rasch wieder zu Kräften. Zum biketechnischen Dessert gibt es nun eine abenteuerliche Abfahrt nach Gsteig runter. Doch der Weg ist erstaunlich gut fahrbar und macht nach dem schwierigeren oberen Teil immer wie mehr Spass. Dabei wollen die Spitzkehren kaum Enden und zum Schluss spuckt mich der Trail direkt an der Talstation wieder aus.
Fazit? Das Projekt Arpeligrat ist nicht ganz gelungen. Bei idealen Verhältnissen wäre das objektiv betrachtet relativ sinnlose Unterfangen wohl erfolgreich. Anonsten bietet die Region um den Sanetschpass landschaftlich einiges und dies sogar bei schlechtem Wetter. Bei gutem Wetter kann man sicher die Walliser Alpen geniessen. Die Gegend ist übrigens von Walliser Seite her motorisiert zugänglich, was die Ruhe an Sonnentagen wohl empfindlich stört. Wirklich toll ist die Abfahrt runter nach Gsteig und wer masochistisch veranlagt ist, fährt von Sion 1760 Hm am Stück zum Col du Sanetsch rauf.
Und einmal mehr: Wer trotz miesen Aussichten den inneren Schweinehund überwindet, wird fast immer belohnt!
Statistik: 39.3 km, ca. 1530 Höhenmeter, Fahrzeit 5:10 h
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Trotzdem ein mächtig heftig geiles Ding was du da abgerissen hast. Dicken Respekt, andere wären gleich wieder umgekehrt. Ich denke aber wer die Berge liebt, zieht es durch. 😛
Der Burner ist natürlich, dass sich die Cracks jetzt die Trails jetzt mit dem Hubschrauber suchen.
Nun hat sich auch das Matschfoto aus Facebook erklärt. 😯
Heftig, bei diesem Wetter eine solche Tour zu unternehmen, Respekt. Wir sind vor rund 20 Jahren mal mit den Quervelos den Sanetsch hoch vom Wallis und dann die Abfahrt auf Berner Seite runter. Davor kamen wir von der Lenk über den Rawilpass.
Super Tour! Dieser Arpeligrat habe ich in meine Liste aufgenommen 😉
Ach ja, diesen Sanetsch vom Wallis am Stück habe ich letztes Jahr nach einer schönen Tour noch als Dessert rangehängt
http://rotscher.bikeblog.ch/post/115/1935
Kann man übrigens bis zum Arpelistock hoch und runter? Oder nur auf die 2’800 Meter?
Wieder mal ein toller Abenteuerbericht von dir. Das gefällt mir!
Was für eine unglaubliche Tour hast Du denn da gemacht. Das sieht nach einem mächtigen Abenteuer aus. Aber genau solche Geschichten vergisst man nie mehr.