Die Weltkriegsfront zwischen Italien und dem Kaiserreich verlief mitten durch das Valsugana, genauer gesagt quer zum Tal. Das taktische Prinzip im Stellungskrieg war einfach: ‚Wer Höhe hat, der hat!‘. Entsprechend wurden armierte Forts an die höchsten Stellen gebaut und deren Versorgung mit abenteuerlichen, von Feindbeschuss geschützten Militärwegen und Seilbahnen sichergestellt. Das sieht man besonders gut am Fort Cima Vezzena, welches auf 1908m Höhe über dem Tal thront und dem Kaiserjägerweg, welcher die Felswand in abenteuerlichen Schleifen überwindet (siehe erstes Bild mit der Strasse im Vordergrund und dem Fort auf der Bergspitze im Hintergrund).
Wir fahren von unserem Hotel in Levico Terme via Talboden (440m) bis zur anderen Talseite zum Einstieg des 1910 gebauten Kaiserjägerweges. Die Strasse ist sowohl panorama- wie bautechnisch ein Genuss und entsprechend gemütlich fahren wir hoch. Na ja, bei meiner Frau ist dank e-Bike die Definition von ‚gemütlich‘ etwas rasanter. Ich räche mich auf halber Höhe, indem wir ein Stück der alten Strasse nehmen. Der Weg ist in solch einem schlechten Zustand, dass meine Frau das schwere e-Bike über den groben Schotter tragen muss. 😉 Spass beiseite, der alte Abschnitt lohnt sich in keinem Fall!
Ich bewältige den Anstieg ausserordentlich gut – die Kaiserjäger bauten die Strasse nicht zu steil und die vielen Kurven und Tunnel machen das Ganze sehr abwechslungsreich. Trotzdem ist der Wasservorrat langsam leer und ich könnte eine Erfrischung vertragen. Auf der Anhöhe sieht das Albergo Montevere seeehr geschlossen aus und auch das Hotel Vezzena beim gleichnamigen Pass ist geschlossen. Zum Glück hat dazwischen bei der Talstation des Skiliftes das Ristorante Rivetta geöffnet.
Gestärkt fahren wir erst bis zum Passo Vezzena (1440m) und danach in Nordrichtung auf einer für den Verkehr gesperrten Militärstrasse bis zum Forte di Busa Verle. Das Werk wurde von der italienischen Artillerie in Schutt und Asche geschossen. Die Strasse verläuft hier auf der ehemaligen Frontlinie. Ich kürze auf einem Singletrail querfeld – das durch Granattrichter und Schützengräben zernarbte Gelände dient heute als spassige Trailwiese. Nun ja – trotzdem irgendwie beklemmend.
Nach einem Waldstück, das den Pflückverbotsschildern nach wohl nur so von Steinpilzen wimmelt, biegen wir links auf die Werkstrasse zum Posten Vezzena ein. Ich stelle mich auf längere Schiebepassagen ein, aber nein, die nachschubgerechte Strasse ist bis auf wenige Ausnahmen und mit etwas Fahrtechnik (Schotter) bis zum Gipfelgrat fahrbar. Erst für die letzten Meter lassen wir die Mountainbikes stehen und erkunden zu Fuss die Cima Vezzena (1908m).
Wir sind ziemlich stolz, den Aufstieg geschafft zu haben und selbst meine Frau ist überrascht, dass die Batterie ihres e-Bikes diesen souverän wegsteckte. Etwas frustrierend für das Fitnessgefühl war einzig ein jüngeres Ehepaar, welches mit dem Babyanhänger (ohne Motor) die gleiche Tour fuhr. 😉 Der Gipfel ist aktuell eine Baustelle, weil die fragilen und freistehenden Überreste des Beobachtungspostens gesichert werden. Die Aussicht in alle Himmelsrichtungen und speziell runter ins Valsugana ist episch!
Wir lassen die Szenerie noch länger wirken und erkunden die mächtige Feste von allen Seiten. Danach fahren wir auf dem gleichen Weg wieder ab bis nach Montevere. Wir wollen im Ristorante Rivetta noch etwas Essen und werden mit hervorragenden Pennette al Arrabbiata verwöhnt, ‚al dente‘ wie sie nur in Italien sein können! Die Originaltour bietet übrigens noch eine Abfahrt auf der direkteren Linie. Mit einer guten Vorausahnung (Treppen, ausgesetzte Trails) sende ich meine Frau auf die Kaiserjägerstrasse zurück ins Hotel und nehme den zweiten Abschnitt der Tour alleine unter die Räder.
Ein wunderbarer frühlingshafter hellgrüner Waldweg führt über die Hochebene zum Weiler Bertoldi. Weniger erwarte ich die leichten Anstiege, welche sich nach all den Höhenmetern in meinen Oberschenkeln spürbar bemerkbar machen. Vor Virti, unweit des ehemaligen Hauptquartiers der k.u.k Armee, biegen wir auf einen Abschnitt des Sentiero della Pace ein. Im ersten Teil finden sich interessante Kunstwerke im Wald, welche die tragische Geschichte thematisieren. Die Strecke ist teilweise ein Abschnitt der berühmten 100 km dei Forti.
Bei der Anrissstelle eines Felssturzbandes beginnt der Singletrail runter ins Tal. Die ersten Meter sind etwas anspruchsvoll und ausgesetzt. Danach folgen einige steile Treppen, die nur tragend zu bewältigen sind. Der Lohn für den Einstieg ist eine Abfahrt der Superlative. Der Trail auf dem Wanderweg 225 ist immer leicht ausgesetzt, aber nie schwierig. Ein Genuss! PS: Der ein Stockwerk darunter liegende Sentiero 291 ist übrigens nicht (mehr) fahrbar und scheint nur mit Klettersteigausrüstung bewältigbar.
Ob dem Panoramablick fällt es schwer sich auf das Vorderrad zu konzentrieren. Zum Glück hat es Rastplätze, die einfach nur nach Pause schreien. Zum Gesamterlebnis trägt noch bei, dass ich auf dem Weg trotz tollem Wetter völlig alleine unterwegs bin. Lassen wir das untenstehende Bild zeigen, was Worte nur schwierig beschreiben können. Der Rest der Abfahrt im unteren Teil ist Schotter High-Speed Flow.
Fazit: Episch historische Tour mit einem knackigen Aufstieg, den verdienten Panoramablicken sowie einer etwas ausgesetzten, aber genialen Singletrailabfahrt ins Valsugana. Alternativ zum Kaiserjägerweg könnte man den Sentiero della Pace Trail auch via Valle und Carbonare anfahren.
Statistik: 53.4 km, ca. 1840 Höhenmeter, Fahrzeit 5:31 h
Toller Bericht mit unglaublich tollen Fotos! Die Gegend kenne ich überhaupt nicht, sieht aber sehr schön aus. Wer weiss, vielleicht verschlägt es mich auch mal dort hin…:-)
Liebe Grüsse Chregu
Danke Chregu für den Kommentar. Die Gegend scheint mir jedenfalls eine gute und nicht überlaufene Alternative zum Gardasee zu sein. Gruss Spoony