Jura Bike: Abschluss und Fazit !

Erstmals nach Tagen drückt heute morgen die Sonne durch. Trotzdem zeigt der Thermometer im Val de Travers nur knappe 10° C. Ich checke die Lage. Die heute anstehende  Etappe 7 der Jura Bike bin ich bereits im 2013 gefahren. Der Mont Soliat ist wolkenverhangen und ich habe keine Lust auf eine erneute ‚in den Wolken‘ – Etappe. So fasse ich den Entschluss das Abenteuer heute zu beenden und durchs Val de Travers nach Neuenburg zu fahren.

Statt Nebel empfängt mich eine stramme Bise entlang der Areuse und so muss ich mehr als erwartet in die Pedale treten. Es geht vorbei an den bekannten Asphaltminen, die ich schon früher mal besucht habe. Ich wechsle auf die andere Flussseite und komme an einem mit ‚Bains‘ beschrifteten alten Gebäude vorbei. Leider habe ich dazu im Internet keine Informationen gefunden.

Entlang der rechten Talfanke fahre ich bis auf die Höhe von Noiraique und zum engen Talausgang des Val de Travers – Beginn der bekannten Areuse-Schlucht. Wie oft im Jura wird das Engnis durch eine alte Panzersperre markiert. Danach überlege ich kurz, ob ich zur Ferme Robert rauffahre um den Talkessel des Creux du Van mal aus dieser Perspektive zu sehen, lasse es aber sein. Etwas Entdeckerdrang bleibt und so halte ich mich rechts auf dem Chemin de la Ravine.

Für einen reinen Forstweg ist der Weg (zu) gut ausgebaut und mir gefallen die moosbedeckten, alten, steinernen Stützmauern. Der Weg hält konsequent die 780m Höhenkurve und schlängelt sich der gesamten Flanke des Tales entlang und diente wohl als alte oder alternative Zugangsroute ins Val de Travers. Auf halber Höhe zieht es mich trotzdem runter in die bekannte Schlucht. Die Areuseschlucht war in meiner Jugendzeit DER Zielort für Schulreisen und ist noch heute ein äusserst beliebtes Wanderziel.

In Cortaillon tauche ich nach den Tagen hinter Juraketten in eine andere Welt ein, freier Blick auf die Reben und den Neuenburgersee. Ich fahre entlang der Radroute 7 nach Neuenburg. Viele Abschnitte des Radweges wurden wohl erst kürzlich neu gebaut. Das Hardtail sieht aus wie Sau und so suche ich noch eine Waschgelegenheit bevor ich in den Zug steige. Ein Türke leiht mir an der nächsten Autowäsche kurz seinen Waschschlauch – Herzlichen Dank, würde tendenziell keinem Schweizer in den Sinn kommen!

Die Rückfahrt im Jurasüdfuss ICE nach Solothurn ist bequem, aber umständlich. Der Kondukteur kontrollierte nicht nur die drei Tickets auf der App (Passagierticket, Veloticket, Veloreservation) sondern wollte unbedingt noch die Halbtaxkarte sehen, die sich natürlich zuunterst im Rucksack befand.

Am Ufer des Neuenburgersees liess ich nochmals die Reise Revue passieren und kann ein kleines Fazit ziehen.

  1. Wetter: Trotz guter Kleider geht einem Nebel und Feuchtigkeit früher oder später ‚auf den Sack‘. Speziell die Jura Bike mit den tollen Panoramaaussichten leidet da sehr. Dafür hat man den Jura quasi für sich allein.
  2. Route: Sehr abwechslungsreich, abseits aller Strassen und eine gute Etappengrösse, was viel Zeit zum Entdecken lässt. Insgesamt Top!
  3. Bike Setup: Die Rahmentasche und der umso leichtere Rucksack haben sich sehr bewährt. Dies mit dem Vorbehalt, dass die Route nicht zwingend ein Fully braucht, was auf der Jura Bike kein MUST ist.

Damit habe ich die Jura Bike beinahe vollständig abgefahren. Die Startetappe werde ich wohl auslassen und mich lieber noch weiteren Etappen der Panorama Bike oder der Alpine Bike zuwenden.

Statistik: 33.6 km, ca. 230 Höhenmeter, Fahrzeit 2:03 h

Jura Bike Etappe 6: La Chaux-de-Fonds – Couvet !

Ich war müde und habe lange geschlafen. Beim Frühstück kämpfte die Wirtin mit den COVID-19 Vorschriften und mir fiel erneut auf wie unterschiedlich von Beiz zu Beiz, von Hotel zu Hotel und besonders von Kanton zu Kanton die Hygienemassnahmen angewandt werden. Eigentlich hatte ich keine Lust weiterzufahren, draussen war das Wetter schlecht wie gestern und die Sichtweite irgendwo bei 50m. Aber Jammern hilft nix und so startete ich auf die Etappe 6 der Jura Bike. Zu Beginn gleich mit einem längeren Singletrail über die Kuhwiese und entlang des Waldrandes.

Die wurzeligen Stellen, gepaart mit glitschigem Jurakalk und meinen schmalen Hardtail-Reifen, bringen mich gleich ans Limit. Es ist volle Konzentration gefragt und zum Glück geht die Route ab Les Planchettes in ein Strässchen über. Die Abfahrt bleibt rassig, vernichtet 400 Höhenmeter und endet erst auf 834m, tief in der Schlucht des Doubs, aber immer noch hoch über dem Fluss. Nun geht es auf einem Schotterweg durch die Felsenbarriere der Grande Beuge und entlang der Côtes de Moron.

Die Strecke hoch über dem Doubs bzw des Lac de Moron ist idyllisch und waldig. Im Winter dürfte die Szenerie dank freier Sicht noch eindrücklicher sein. Beim Saut du Doubs (738m) stelle ich das Bike am Rastplatz ab und steige zu Fuss zum Wasserfall ab. Ein grandioser Anblick wie der Fluss hier 27 Meter – tosend,  schäumend und wild – in einen tiefen Kessel fällt. Das ist nicht selbstverständlich, weil der Doubs öfters wenig oder kein Wasser führt und unterirdisch abfliesst. Ich bin heute an dieser Touristenattraktion mutterseelenalleine und geniesse diesen Umstand. Einzig zwei Grenzwächter kontrollieren zu Fuss die verbarrikadierte Fussgängerbrücke nach Frankreich.

Unweit des Wasserfalles staut eine Mauer den Doubs in Form des Lac des Brenets erneut über mehrere Kilometer auf. Ein langes Strässchen führt stetig die steile Felsflanke nach Les Brenets (842m) hinauf. Ich teile mir die Aussicht einzig mit dem gelben Auto des Pöstlers und kann so die Strecke ungestört geniessen.

Das Dorf Les Brenets hat den lokal beeinflussten quadratischen Grundriss übernommen und die Kirche thront hoch über dem See. Der Ort in Balkonlage sieht weit hinüber nach Frankreich. Diese privilegierte Lage führte 1890 zum Bau der Bahnstrecke Le Locle – Les Brenets. Die damalige Dampflokomotive steht heute als Schaustück am Strassenrand. Während die Bahn für die Weiterfahrt den Tunnel nimmt, muss ich über den Hügel Les Malpierres (1028m).

Als Dank gibt es eine schöne Aussicht über Le Locle (917m), die zweite Industriestadt im Neuenburger Jura. Sie ist gleich hässlich und zugleich gleich faszinierend wie ihre grosse Schwester. Riesige Fabrikareale und die Namen berühmter Uhrenmanufakturen bestimmen das Stadtbild. Meine Suche nach einem wärmenden zweiten Frühstückskaffee ist leider erfolglos. Die ausgeschilderte Route führt mich zu rasch zurück ins Grüne, in Form der Combe Girard. Der Graben ist etwas märchenhaft, mindestens bis zum giftigen Anstieg auf das Plateau, wo es einen letzten Panoramablick nach Le Locle gibt.

Stetig steigt der Weg in Richtung Grand-Sommartel an und zieht sich dabei in die Länge. Der Skilift wurde wohl länger nicht mehr gebraucht und steht noch trostloser im Wetter als dieses selber ist. Ab 1000m gibt es wieder Wolken und das schlägt auf die Stimmung. Zum Glück hat der Beizer neben dem Wegweiser auf 1291m ein Hinweisschild angebracht. So weiche ich für 600m von der Route ab und fahre zur Auberge du Grand-Sommartel.

Was für eine gute Idee! Durchfroren trete ich ein und erwarte einen einfachen Berggasthof. Stattdessen gibt es einen wunderschön dekorierten grossen Festsaal, in dem die Tische mit genügend Abstand platz finden. Ich bin der einzige Gast und werde umsorgt. Das Mittagsmenü mit Fisch und Vorspeise für 17 CHF ist umwerfend und besonders gefallen der frische Blumenschmuck auf jedem Tisch und die hängenden Fahrräder an der Saaldecke. Dazu wärmt der offene Ofen und meine Motivation kehr in Riesenschritten zurück.

Es folgt eine lange Abfahrt vorwiegend über Jurasträsschen und -wiesen via Petit Sommartel, Grand- und Petit Joux in Richtung Westen. Die Route bleibt am nördlichen Hang des Vallée des Ponts. Mir fällt der unterschiedliche Zustand der verschiedenen Bauernhöfe auf – darunter durchaus einige mit dem Prädikat ‚Sauhund‘, wenn es nach dem Schrott-Mist-Gemisch rund um die Höfe geht. Daneben schmucke Häuser als positive Beispiele.

Die Combe Pellaton hinauf ist nochmals ein ziemlicher Effort. Die Asphalt-Radfahrer haben es da leichter, führt deren Route doch um den Hügel herum. Dafür verpassen sie den ‚geheimen‘ Absinthbrunnen im tiefen Wald – ‚La Fontaine Discrète‘. Der ebenfalls Flügel verleihende Apéro aus Absinth und Quellwasser fällt leider wegen COVID-19 aus. 🙁 Ich schaffe den Aufstieg zum Punkt 1195 auch so, wo ein klassischer Schweizer Wegweiserbaum wartet. Ab hier geht es nur noch runter via den Mont de Couvet ins gleichnamige Dorf Couvet (735m). Ich verzichte auf alternative Rutschtrails und nutze das Asphaltsträsschen.

Einquartiert bin ich mangels B&Bs im Hôtel de l’Aigle. Obwohl ich extra online ein grösseres und teureres  Zimmer bestellt habe, gibt man mir das Einzelzimmer Marke ‚Abstellkammer‘. Während einer kleinen Diskussion und dank den ‚Beweisbildern‘ von der eigenen Hotelwebseite gibt man mir einen saftigen Rabatt und ich bin zufrieden. Nach einem Dorfrundgang an die Areuse geniesse ich ein gutes Nachtessen mit einem guten Stück Büffelfleisch aus der Region. Das Früstück ist ebenfalls OK und so kann ich mich mit dem Hotel versöhnen – war wohl etwas zu verwöhnt mit den B&Bs der letzten Nächte.

Fazit: Erneut eine super abwechslungsreiche und durchaus sportliche Etappe mit Singletrails, spektakulären Landschaften entlang des Doubs, wahrscheinlich tollen Aussichten auf dem Sommartel und einer langen Abfahrt ins Absinthmekka Val des Travers.

Statistik: 49.8 km, ca. 1127 Höhenmeter, Fahrzeit 4:21 h

Jura Bike Etappe 5: Saignelégier – La Chaux-de-Fonds !

Nächste Etappe (Etappe 5 der Jura Bike) meiner Mehrtagestour mit dem Mountainbike durch den Jura. Man sieht die Hand vor dem Auge kaum und das hellt die Stimmung nicht sehr auf. Da brauche ich etwas für das Gemüt, was die Confiserie – Bäckerei Parrat mit einer leckeren Auslage liefern kann. Interessant, mit welchem ‚Style‘ die Bäckerei daherkommt – man sollte den Jura nicht unterschätzen. Die Bikeroute führt in einem grossen Bogen um die beiden bekannten Moorseen, den Etang des Royes und den Etang de la Gruère.

Tatsächlich ist es eine sehr schöne Strecke über Wiesen und durch lichte Wälder. Die vielen Pferde sind fast zu viel des Franches Montagnes Klischees. Mit dem Nebel kommt eine mystische Komponente dazu und wäre ich anfällig auf sowas, würde ich einen ‚Kraftort‘ nach dem anderen entdecken. Ich bin froh Technik dabei zu haben. Die Route ist gut beschildert, aber bei diesen Sichtweiten hat man immer gerne einen Track auf dem GPS am Lenker dabei.

Die Ambivalenz zwischen Mensch, Technik und Natur wird wohl das Motto dieser Etappe. Schon bald fahre ich entlang des Trassee der Tramelan – Noirmont Bahn. Im goldenen Eisenbahnzeitalter haben ganze fünf Bahnunternehmen einsame Dörfer verbunden, heute alles fusioniert zur Chemin de fer du Jura – interessante Geschichte! Natürlich sind die Freiberge auch Reitparadies, was sich in interessanten Viehgattern äussert, bei denen der Reiter nicht vom Pferd muss. Als Mountainbiker muss man sich erst an die Tore gewöhnen.

Über die Moorlandschaft ‚La Tourbière‘ umgeht die Route bewohntes Gebiet und schleicht sich von hinten dem Montagne du Droit an, besser bekannt unter dem Namen seines westlichen Gipfels, des Mont-Soleil. Der Sonnenberg ist heute ein schlechter Scherz. In den letzten Jahren wurde hier das grösste Windkraftwerk der Schweiz gebaut. Ich höre das periodische Zischen der riesigen Rotoren und sehe genau gar nichts, selbst nicht, als ich mich unter einen der riesigen Masten stelle. Die Energiefirmen haben hier ein halbes Ökostrom-Disneyland in den Jura gebaut, alle paar Meter Informationstafeln und Spielplätze – nun ja, die Bevölkerung muss überzeugt werden, alle wollen ja sauberen Strom, aber keiner will Solarzellen und Windräder in der Natur.

Ich suche stattdessen den Gipfel des Mont-Soleil (1291m), welcher juratypisch nicht zu finden ist. Ich würde mal sagen, dass von blossem Auge geschätzt, der obige Markstein sicher nicht der höchste Punkt ist, eher schon der Steinhaufen mit knorrigem Baum. Vom angeblichen Alpenpanorama sieht man nichts und das grösste Solarkraftwerk der Schweiz kann den heutigen Tag ebenfalls abhaken.

Es regnet nicht, aber der Nebel beschlägt die Brille und kriecht in die Kleider. So bin ich froh in der Auberge Mont-Soleil Chez l’Assesseur eine feine Currysuppe zu bekommen. Ich bin wohl der erste Gast seit der heutigen Nach-Lock-Down Wiedereröffnung. Ein wunderschönes Haus, von Innen wie Aussen. Weiter geht die Tour abwärts über Felder und einigen Singletrails nach La Ferrière. Danach stotzig durch die Kuhherde ins Tobel runter, in die Combe du Valanvron (847m). Hier ist man übrigens wieder auf Berner Boden. Die Kantonsgrenze verläuft bizarrerweise in einem unlogischen Zipfel bis 200m an die französische Grenze bei Biaufond hinauf, wo dieses grosse Tobel im Doubs endet.

In den Graben – aus dem Graben. Ich versuche den Aufstieg aufs Plateau auf einem echt steilen Schotterweg möglichst fahrend zu bewältigen – Zunge bei Fuss – dafür wenigstens nicht mehr fröstelnd. Bei nasser Witterung eine ziemliche Herausforderung. Der weitere Weg ist wieder juramässig, bis plötzlich in der nächsten Senke, aus dem Nichts, im Nichts, Hochhäuser erscheinen – eine Szenerie wie aus einem Sci-Fi Film. La Chaux-de-Fonds!

Die Stadt fasziniert jedes Mal wenn ich hier bin. Einerseits abstossend, verlotternd und irgendwie unschweizerisch. Anderseits mondän, modern und fast etwas utopisch inmitten der Kuhlandschaft auf 1000m Höhe. Tatsächlich ist die Stadt einzigartig, ihr amerikanischer Schachbrettgrundriss, ihre Industriegeschichte. Ich mache eine kleine Stadttour mit dem Bike und kaufe in einer Tankstelle mein Nachtessen ein. Ich habe keine Lust in der Stadt zu schlafen und fahre auf einer schnurgeraden steilen Strasse in Richtung Berg.

Die Stadtstrasse führt nahtlos in einen Waldweg, der weiter in gerader Linie ansteigt. Ich kämpfe im kleinsten Gang gegen das Gleichgewicht und die Steigung… aber Absteigen ist keine Option. Bald habe ich das Gröbste geschafft. Trotzdem kürze ich die offizielle Strecke etwas ab, auf die Zusatzhöhenmeter zum Pouillerel (1277m) bei null Sicht habe ich keine Lust. Endlich ist das Ziel erreicht, das Maison d’hóte Le Gros-Crêt (1255m). Ich bin der einzige Gast, was bei diesen Verhältnissen nicht erstaunt. Die Chefin kümmert sich rührend um mich und die Themenzimmer sind sehr interessant. Ich bin im Chevrolet Zimmer und erfahre so die ganze Story dieses Mannes, dessen Namen für die weltbekannte Automarke steht und der aus La Chaux-de-Fonds kommt.

So rauche ich nach dem Duschen im strammen Wind bei Nebel auf der Terrasse eine Zigarre und esse danach mein mitgebrachtes Nachtessen, inklusive einem Local Beer, ein Torpille aus der BFM Brauerei in Saignelégier. Und sonst? Sicher ein toller Ort mit Aussicht und selbst an diesem Tag hat das Haus und seine Lage viel Charme – empfehlenswert!

Fazit: Nun, diese Etappe macht bei stockdickem Nebel wirklich keinen Spass, dürfte aber bei schönem Wetter mit tollen Panoramen glänzen. Das Motto ‚Natur und Technik‘ stimmt auf jeden Fall und macht diese Etappe zu etwas Speziellem. Wer zudem an der sportlichen Leistung interessiert ist, dem bietet das Höhenprofil Genugtuung.

Statistik: 51,2 km, ca. 1161 Höhenmeter, Fahrzeit 4:20 h

Jura Bike Etappe 4: St-Ursanne – Saignelégier !

Es gibt einen Regentag und der Regenradar von Meteo Schweiz wird heute mein bester Freund. Da die Prognosen nicht besser werden, starte ich bereits um 0800 Uhr, fröstelnd, in den feuchten Morgen. Auf der anderen Talseite schindet der Bahnviadukt mächtig Eindruck. Dieser führt zum Bahnhof St-Ursanne, der in eine Felswand gebaut zu sein scheint. Ich biege auf ein Strässchen ab und trotz grauem Himmel ist die Landschaft so richtig grün. Ein Schild weist auf die seltene Schachblume hin, welche gefährdet ist und nicht gepflückt werden darf. Sie wächst in diesen Auengebieten entlang des Doubs und fortan halte ich Ausschau, leider erfolglos.

So geht es gemütlich entlang des Flusses, über eine Holzbrücke und weiter bis zum Campingplatz Tariche (449m), der noch nicht öffnen darf und deshalb das zweite Frühstück im Café ausfällt. Es folgt ein Aufstieg zum Hof Le Poye und danach eine richtig happige Rampe nach Clos Girard. Mit Gepäck muss ich mich arg konzentrieren um den Abschnitt fahren zu können, Verschnaufpausen inklusive. Es folgen einige Singletrails entlang Waldränder und durch hochgrasige Wiesen. In Montfavergier hoffe ich auf ein Café aber diese Hoffnung ist im Jura oft vergebens. Die Feuchtigkeit kühlt aus, ich checke den Regenradar: Unterstellen oder Weiterfahren?

Es scheint, ich hätte noch einige Minuten. Leicht gehetzt geht es weitere 200 Höhenmeter hinauf bis ich mich mit den ersten grösseren Regentropfen in Les Sairains (975m) bei einem Hof unterstellen kann. Ich lasse mit Blick auf den Regenradar und einem Riegel im Mund den gröbsten Regen vorbeiziehen. Sobald man nicht mehr fährt, kühlt der Körper auf 1000m Höhe leider rasch aus. Ich ziehe an was ich habe und fahre trotz leichtem Nieselregen weiter. Wenigstens kann ich so als erklärter Schönwetterbiker ausnahmsweise meine Regenausrüstung testen.

Auf den nächsten Kilometern gibt es regenbedingt keine Fotos, obwohl die Strecke nun durch die klassische Landschaft der Jurassischen Freiberge führt – grüne Wiesen mit Pferden, durchsetzt mit Baumgruppen, welche besonders gerne in den allgegenwärtigen Dolinen wachsen. Der Nebel wird dichter und die Sichtweite sinkt auf unter 100m. Auch in Les Enfer findet sich kein offenes Restaurant zum Aufwärmen. Nochmals geht es rauf auf 1000m, bis die kurze Abfahrt zum Tourenziel, Saignelégier, der Schweizer Pferdehauptstadt, erreicht ist.

Ich fahre durchs Dorf als 200m vor der Unterkunft und 50m neben einem Bikeshop mit einem riesigen Knall die Luft aus dem Hinterpneu entweicht. Der erste Gedanke: Schei…! Der zweite Gedanke: Was für ein unglaubliches Glück, dass dies hier passiert! An jedem anderen Ort hätte ich stundenlang geschoben. Es ist ein Totalschaden, die Reifenflanke hat sich an der Felgenkante durchgescheuert. Zum Glück hat Vélo Passion ein passendes Modell (Chaoyang Victory, man nimmt was es hat) und mir damit den Ar… gerettet. Soviel zum Thema gute Vorbereitung auf eine Mehrtagestour.

Es ist kalt, ich bin durchnässt und entsprechend froh bereits am späten Mittag in der Gîte Chez Toinette anzukommen. Zum Glück hatte ich am Morgen telefoniert und noch das letzte Zimmer ergattert. Der Empfang ist sehr freundlich, das Zimmer neu, grosszügig und mit Küche und Balkon ausgestattet. Es gibt Gratiskaffee und die Offerte die Kleider zu waschen. Für das Mountainbike darf ich den Gartenschlauch nutzen und es gibt einen Platz in der Garage. Kurzum Top! Lustig ebenfalls die drei kleinen Miethäuser im unterschiedlichen Stil vor dem Haus. Und dann das Frühstück… Daumen hoch! Nachtessen gibt es in der Pizzeria Bellevue, ca 10min zu Fuss vom B&B entfernt. Gute Pizza aber die Hygienemassnahmen werden nur äusserst rudimentär umgesetzt.

Fazit: Eine wirklich kurze Etappe mit einem heftigen Aufstieg und schöner Freiberger Landschaft, welche heute nicht zur Geltung kam. Die Etappe zu verlängern ist schwierig, weil es zum Zwischenziel Saignelégier nicht viele Alternativen gibt und in der Region die Übernachtungsmöglichkeiten teilweise dünn gesät sind.

Statistik: 32,6 km, ca. 893 Höhenmeter, Fahrzeit 3:04 h

Jura Bike Etappe 3: (Moutier) Délémont – St-Ursanne !

Mein Mehrtagesbikeabenteuer im Jura beginnt heute Dienstag wetterbedingt mit Verspätung. Nur lauwarm motiviert, schliesslich habe ich wohl die mieseste Woche des Frühlings 2020 erwischt, steige ich in Solothurn in den Zug und fahre durch den Weissenstein nach Moutier (529m). Trotz COVID-19 Lockerungen ist der Zug leer wie immer und Masken sind unnötig. In umgekehrter Richtung der Haute-Sorne Tour fahre ich durch die eindrückliche Klus der ‚Gorges de Moutier‘ nach Norden. Die Fahrt entlang der Birs nach Délémont (414m) ist trotz Gepäck leicht, geht es glücklicherweise nur abwärts. Gewöhnungsbedürftig ist das kühle Einfahren bei 7°C und der Puderzucker in Form von Schnee auf den grünen Höhen – Zeuge des gestrigen kleinen Wintereinbruchs.

Délémont ist der Startpunkt der Etappe 3 der nationalen Jura Bike Route und gegenüber dem Bahnhof zeigen Mountainbikeschilder in alle Himmelsrichtungen. Gefühlt bin ich das erste Mal in Delsberg und nehme mir deshalb kurz Zeit die Altstadt anzuschauen. Irgendwie ist alles trostlos, sei es wegen dem Wetter, wegen den Corona-Nachwehen oder vielleicht ist es ja immer so. 😉

Der erste Anstieg nördlich der Stadt zum Pistolenschiessstand erinnert meine Beine an den Grundcharakter des Juras: Steile bis sausteile Anstiege! Die Strasse zieht in gerader Linie den Hügel rauf bis zu einem kleinen Observatorium. Kaum aus den Häusern taucht man in die typische Juralandschaft ein. Speziell sind einzig die vielen Jogger, welche diesen frischen Morgen für sportliche Aktivitäten nach dem Lock-Down nutzen.

In einem grossen Bogen geht es erst flach, anschliessend wieder steil durch eine verlassen Klus, entlang des Baches ‚Le Golat‘, stetig hinauf zur Krete Cheynatte auf 799m Höhe. Kurz vorher bietet eine Lichtung mit einer Deltaseglerabsprungschanze tolle Blicke runter auf Délémont.

Zurück auf einem kleinen Strässchen fahre ich weiter den Berg hoch, leicht schaudernd vor der Tatsache, dass die schneebedeckten Bäume immer näher kommen. Bald fällt mir schmelzender Nassschnee vor das Rad. Zum Glück endet der Aufstieg bei der Haute-Borne (892m). Ich steige ab und suche vergebens in der Wiese nach dem angekündigten historischen Grenzstein. Dieser steht heute nur noch als Replik gleich neben dem Wegweiser. Dafür finde ich im Feld schöne Blumen und noch schönere Baumpilze.

Ab hier zieht die Route einige Kilometer entlang des Rückens des Jurazuges – Juralandschaft pur: Einsame grosse Einzelhöfe und schöne Weitsicht. In der Ferne dient die Antenne auf ‚Les Ordons‘ als optischer Wegweiser. Zum Glück biegt die Route vorgängig links zum Col des Rangier (856m) ab. Der Ort ist vielen bekannt wegen der leidigen Geschichte rund um den alten Fritz, ein Denkmal als Symbol im langen Streit zwischen den Kantonen Bern und Jura.

Die militärische Vergangenheit des Juras ist trotzdem noch gegenwärtig, sei dies in Form militärischer Bauten, oder in Form von Militärstrassen, welchen die Jura Bike folgt. Keinesfalls die paar Meter hinauf zum Platz des Infanterieregimentes 9 verpassen, der sich beim Aussichtspunkt ‚Le Chételat‘ (832m) befindet. Ich setze mich mit einem Riegel auf die leere Bank und studiere die Landschaft in Richtung Norden, keine Jurakette versperrt mehr den Blick nach Frankreich und über den Pruntruter Zipfel bzw die Ajoie.

Unter den Pneus, tief im Berg, durchquert die Autobahn die Jurahöhen im Tunnel du Mont Terri. Ich kämpfe mich derweil auf einem schmalen Pfad zurück auf die Südseite des Hügels, mit dem sinnigen Namen ‚La Malcôte‘. Diese kurze Schiebepassage ist übrigens eine der ganz wenigen auf der Jura Bike. Meist ist man auf Feldwegen unterwegs oder ab und an auf gut fahrbaren Singletrails. Oberhalb von Outremont hat jemand einige Sonnenuhren in die Wiesen gestellt. Leider wird heute keine Zeit angezeigt. 🙁 Tief unter mir erhascht man zeitweise einen Blick auf das Tagesziel, den Doubs und Saint-Ursanne.

Die Route hält Höhe und quert zum Col de la Croix (789m). Nebst einem biologisch betriebenen Bauernhof einer Stiftung aus Basel mit gehörnten Kühen, steht am Pass das wohl namensgebende, ziemlich alte Steinkreuz. Es folgt die Abfahrt zum Dorf Seleute (641m), Postleitzahl 2888, wo ich in der Auberge de la Fontaine etwas zu Mittag esse. Wie überall diese Woche hat man erst seit Montag wieder geöffnet und kämpft mehr schlecht als recht mit den COVID-19 Vorschriften und den Hygienemassnahmen. So gibt es nur ein Menü, die hausgemachte Terrine zur Vorspeise war top, gefolgt von einem feinen Braten. Preis: Fast schon lächerliche 16 CHF.

Frisch gestärkt und etwas aufgewärmt packe ich das Rad und fahre durch steile Kalkfelsformationen runter an den Doubs. Der Fluss, der zweifelt in welche Richtung er fliessen will, macht hier einen grossen Bogen in die Schweiz, dem Clos du Doubs. Die ganze Region ist ein wunderbares Naturreservat, viele Schilder beschreiben die besondere Topografie und Natur der Region. Es ist erst früher Nachmittag und ich fahre abseits der offiziellen Route eine Zusatzschlaufe zur Landesgrenze.

Dazu geht es erst hinauf in Richtung ‚Les grosses Pesses‘. Die Abfahrt nach La Motte über Kuhwiesen ist auf der Karte problemlos, im Gelände muss ich tatsächlich zwei Anläufe nehmen um den richtigen Pfad zu erwischen. In der Ferne sieht man mit Brémontcourt die erste Ortschaft in Frankreich mitsamt der Brücke über den Doubs.

Am Grenzübergang wird klar wieso die Strasse autofrei ist. Die Grenze ist wegen Corona dicht und die Schweizer haben diese zur Sicherheit physisch abgesperrt. Dies ist interessant, weil sich scheinbar die Franzosen nicht sehr um die Grenze kümmern, die Schweizer umso mehr. Da gibt es selbst im Nirgendwo an der grünen Grenze noch Absperrband. Ein Denkmal erinnert an die Internierung französischer und polnischer Soldaten im Zuge des deutschen Angriffs auf Frankreich im Juni 1940.

Zurück in Richtung Schweiz grüsst erst das Kirchlein und anschliessend der Ort mit dem Namen Ocourt. Die Route folgt dem südlichen Ufer des Doubs, welcher sich durch die Landschaft schlängelt, umsäumt von grünen Jurahöhen. Trotz seiner Abgelegenheit wird der Fluss seit Jahrhunderten als Kraftquelle genutzt, alte Schwellen und Flurnamen wie ‚Moulin du Doubs‘ beweisen dies. Schliesslich komme ich im schönen Städtchen Saint-Ursanne an und werde von der mittelalterlichen Stadtfassade und der bekannten Brücke empfangen.

Vor den Stadttoren beziehe ich im B&B Logis des Saules meine Unterkunft. Das Gästehaus hat hübsche neue Zimmer, ich werde äusserst freundlich empfangen, der grosse Garten steht zur Verfügung und es gibt gar einen direkten ‚Geheimgang‘ durch die Stadtmauer in die Stadt. Das Frühstück war trotz Corona-Massnahmen toll. Empfehlenswert, obwohl im Rückblick der Preis etwas an der oberen Grenze war.

Nachtessen gibt es im Restaurant du Boeuf, einer ehemaligen Metzgerei und natürlich esse ich Fisch. 😉 Zum Leidwesen der Anwohner ist St-Ursanne seit fünf Jahren in der Generalsanierung. Das Endresultat wird sehr schön werden und hoffentlich Touristen anziehen. Das Gespräch mit der Hotelbesitzerin zum Thema COVID-19, Hygienemassnahmen und Existenzängsten (Stichwort Gruppentourismus) macht nachdenklich. Da lasse ich als einer der ersten Nach-Corona-Touristen mein Geld mit gutem Gewissen in der Schweiz.

Fazit: Schöne, landschaftlich abwechslungsreiche und interessante Etappe. 

Statistik: 63 km, ca. 1099 Höhenmeter, Fahrzeit 4:36 h