Der Canal d’Entreroches und die europäische Wasserscheide !

Beruflich bin ich im Raum Eclépens und nahm mir die Zeit auf einer grösseren Tour die Region zu erkunden. Die Gegend ist so reich an kulturell und geologisch Interessantem, dass ich hier erst mal einen Prolog zum Thema Europäische Hauptwasserscheide schreibe. Der Hügelzug des Mormont, angeknabbert vom Steinbruch der Holcim, trennt das Wasser, welches via Aare / Rhein bzw Rhone in die Nordsee bzw das Mittelmeer fliesst. Der Hügel bietet einige Trails, erstaunlicherweise eine Menge Gämsen und auf seiner Spitze Null Aussicht. 😉

Etwas weiter östlich, vorbei an einer schönen Wiesenfläche bei En Prévaz, trifft man auf ein historisches Denkmal erster Güte. 1648 wurde hier der Canal d’Entrerochers in den Berg geschlagen. Sowohl auf der Karte, wie im Gelände, sind heute die Spuren deutlich sichtbar. Schautafeln erklären das leicht grössenwahnsinnige Projekt eines Rhone-Rhein Kanals. Mindestens der Abschnitt Cossonay – Neuenburgersee hatte einige Zeit regionale Bedeutung und wurde betrieben. Der Abschnitt runter zum Lac Léman fand jedoch niemals Investoren. Umso erstaunlicher, dass die Idee dieses Kanals bis ins 20. Jh hinein weiter existierte.

Der alte Kanal wird heute durch die Bahnlinien durchschnitten – ich stelle mir im geistigen Auge den Kanal, die Barken und die handbetriebenen Schleusen vor. Auf einem Singletrail fahre ich eine grosse Runde um Eclépens, um an den Ausgangs- und Endpunkt der eigentlichen Tour zu gelangen, nach La Sarraz.

Das mächtige Schloss blickt hinunter zum Moulin Bornu, der Ort, welcher uns zurück zur Wasserscheide führt. Während die La Venoge nach Süden entwässert, fliesst die Le Nozon nach Norden – fast! Der Clou: Ein Teil des Wassers wird von der Mühle abgezwackt und fliesst auf der Hinterseite des Hauses in die falsche Richtung, nach La Sarraz und damit ins Mittelmeer. Name des Ortes: Le Milieu du Monde! Soviel zum Prolog – es folgt eine Hammertour entlang der Orbe.

Die Roflaschlucht !

Auf dem Weg nach Hause machten wir heute Mittag halt im Gasthaus Rofflaschlucht. Meine Frau wartete schon die halbe Woche auf eine gebratene Forelle. Ich hatte genug vom Frühstück und schlug mir die Zeit mit dem Besuch der Roflaschlucht tod. Der Schluchteingang ist im Gasthaus und führt erst durch den ältesten Teil des Hauses, welcher als Museum eingerichtet ist. Sehr spannende Geschichte! Der Besitzer reimmigrierte aus der USA und musste irgendwie seine Familie durchbringen.

Nichts einfacher als das. Man grabe und sprenge hinter dem Haus während sieben Jahren einen Weg in die Schluchtflanke, bis zuhinterst, wo der Hinterrhein als Wasserfall in den Schluchtkessel stürzt. Mit dieser Vorgeschichte ist der Besuch der Schlucht gleich doppelt faszinierend. Bisher hatte ich noch nie von dieser Schlucht gehört und so bin ich ziemlich überrascht. Die Roflaschlucht hat alles was es braucht: Tiefe Abgründe; Tunnels im Fels; ‚Hinter-dem-Wasserfall‘-Wege und einen durchaus imposanten Wasserfall.

Kurzum: Auf der Vorbeifahrt jederzeit einen Kurzbesuch wert!

Nach Juf und ins Bergalga !

Ein weiteres Tal, weit weg von Solothurn, von Chur und gar von Thusis, das Avers. Am Talende, auf 2125m das höchste ständig bewohnte Dorf der Schweiz, Juf. Wir sind im Hotel Capetta in Cresta einquartiert und viel Auswahl gab es diesen Sommer nicht. Die ganze Schweiz macht Ferien zu Hause in den Bergen. Für 224 CHF / Nacht kein Schnäppchen, aber in Graubünden kann man Gastronomie und das Essen im heimeligen Restaurant ist hervorragend!

Auf der gegenüberliegenden Talseite kämpft sich der letzte Wald auf 2100m hinauf. Danach ist Schluss und am Südhang gibt es im ganzen Avers kein Wald. So hat das Tal seinen eigenen, ungewohnten Charakter. Die Dörfer liegen ungeschützt an den Hängen und ich frage mich, ob es hier keine Lawinen gibt. Vielleicht sind die Winkel zu flach und es fehlen die hohen Bergflanken. Wir beginnen unsere Tour in Cresta auf 1959m. Die ikonische, weisse Kirche von Cresta ist der erste Blickfang und kontrastiert wunderbar mit den grünen Wiesen.

Bei Pürt verlassen wir die Talstrasse und fahren den Hang hinauf zu einem Höhenweg, unter dem scheinbar eine Wasserleitung fliesst. Szenerie und Aussicht sind herrlich. Unter den Reifen wächst das saftig hellgrüne Gras und es hat überall Alpenblumen. Nicht gerechnet habe ich mit einigen Bachrinnen, die sich tief in den Hang einschneiden. Konsequenz? Man(n) trägt das eBike der Frau über Treppenstufen. Trotzdem eine gelungener Ausflug parallel zur Strasse.

Vorbei an einem kuriosen Haus mit einer riesigen Modelleisenbahn im Garten und interessierten Gästen. Reto Fehr hat sich das bei seiner Velotour durch die Schweiz näher angeschaut. Bei Juppa (2003m) sind wir wieder auf der Strasse und schauen ins Bergalga, wo soeben ein Gewitter Weltuntergangsstimmung verbreitet. Die Fahrt nach Juf wird ein kleines Wettrennen zwischen Radler und Gewitterfront. Meine Oberschenkel schwächeln. Liegt es an den vergangenen Tagen oder der Höhe?

Im Restaurant Alpenrose warten wir den Regen ab und lassen uns zu einem feinen Mittagsmenü überreden, obwohl das reiche Frühstück noch gut im Magen liegt. Dicht gedrängt ducken sich die braungebräunten Häuser und Ställe an den Berghang. Früher wurde im Tal noch mit trockenem Schafsmist geheizt – heute sind die grauen Ziegel nur noch Fotosujets. Hinter Juf nur noch die Jufer Alpa mit der Forcellina, die zum Septimer Pass und runter nach Maloja führt. Auf der einen Dorfseite unberührte Natur, auf der anderen eine Riesenbaustelle. Es entsteht ein Stall, der gefühlt grösser als das ganze Dorf ist. Ich verstehe zwar rational den Zweck und die Notwendigkeit für die lokale Bevölkerung, habe aber trotzdem Mühe an diesem Ort einen solchen Riesenbau hinzustellen.

Auf der Rückfahrt machen wir einen Abstecher ins Bergalga, entlang des Murmelilehrpfades. Tatsächlich ist das Tal in fester Hand dieser Tiere. Auf vielen Lehrtafeln erfährt man Interessantes über die Murmeli. Derweil schauen diese in ganzen Rudeln den komischen Mountainbikern zu. In der Alp Olta Stofel (2074m) setzen wir uns an den gemeinsamen Tisch des jungen Älplerpaares und geniessen ein zVieri.

Nochmals lassen wir eine Regenwolke vorbeiziehen, bevor wir bei Sonnenschein den Rückweg nach Juppa und runter nach Cresta antreten. Auf der Hotelterrasse lassen wir diesen schönen Tag mit Arvenholz in der Nase und der Halbpension im Mund ausklingen. 😉

Fazit: Das Avers ist ein schönes, einsames Tal mit eigenem Charakter. Der richtige Ort um eine Woche im Sommer oder Winter Körper und Geist ‚runterzufahren‘. Biketechnisch gibt es nichts besonderes und trotzdem ist das Mountainbike ideal, um das weitläufige Tal zu erkunden.

Statistik: 21.7 km, ca. 433 Höhenmeter, Fahrzeit 1:46 h

Valle di Lei – Roflaschlucht Tour !

Auf den heutigen Tag habe ich mich gefreut. Es geht in ein besonderes Tal, das Valle di Lei. Schon die Anfahrt ist speziell. In der Roflaschlucht sollte man die Abzweigung ins Avers nicht verpassen und danach geht es durchs Val Ferrera bis hoch zu einem Tunnel, der direkt auf der Staumauer endet. Diese liegt dank einem Landtausch mit Italien heute auf Schweizer Boden, während das Tal in Italien und von dort per Auto nicht erreichbar ist. Übrigens ist das Val di Lei das einzige italienische Tal, das gegen Norden zum Rhein entwässert.

Da wir mit zwei Autos unterwegs sind, lasse ich mein Auto auf dem grossen Parkplatz in der Roflaschlucht (1101m) stehen und shuttle mit meiner Frau rauf zur Staumauer auf 1932m. Neben dem Tunnelportal zeigt eine kleine Ausstellung die Baugeschichte dieser schönen Bogenstaumauer. Mit zwei 15km langen Seilbahnen wurden Mensch und Material aus Campodolcino herbeigeschafft. Heute sind davon im ganzen Tal relativ hässliche Betonspuren im Gelände sichtbar. Der Lago di Lei ist übrigens der drittgrösste Stausee der Schweiz.

Wir beginnen unsere sehr gemütliche Biketour entlang des Sees. Eine wunderbare Fahrstrasse führt ohne nennenswerte Höhenunterschiede rund 10 km am Ufer entlang. Ab dem ersten Kilometer ist es einsam und eindrücklich: Der langgezogene See, die schroffen Felswände, die Ruhe.

Immer wieder halten wir kurz inne und bestaunen die Natur, Alpenrosen, Wasserfälle, Murmeli, Kühe, Felsplatten und Bauwerke aus alter Zeit. Unten beim Wasser warten einige Fischer auf guten Fang und ein einsamer Gemeindearbeiter bessert die Winterschäden am Weg aus. Die Alpe Mottala und Alpe Pian del Nido (1951m) schliessen das Tal ab und bei der kunstvollen Steinbrücke ist der bikebare Weg zu Ende.

Wir packen die mitgebrachte Salsiz aus, setzen uns auf einen Findling, blicken auf den See und schauen den zahlreichen Murmeli zu. Perfekt! Auf gleichem Weg, aber mit neuer Blickrichtung und deshalb neuen Eindrücken fahren wir zur Staumauer zurück.

Unterhalb der Staumauer bei der Alpe del Crot kehren wir im Rifugio Baita del Capriolo ein. Der Wirt ist leider ziemlich am Anschlag mit dem Besucheraufkommen und so herrscht bei den Gästen etwas miese Stimmung. Die Corona Massnahmen machen das ganze nicht besser. Egal, wir kriegen irgendwann trotzdem etwas und lassen uns die gute Laune nicht vermiesen.

Während meine Frau in Richtung Hotel fährt, nehme ich den zweiten Teil der Tour in Angriff. Vor dem Bikedessert steht ein bissiger Anstieg auf der ehemaligen Baustrasse zum Passo del Scengio / Furgga (2167m) an. Geschafft! Nun geht es 1000 Höhenmeter runter in die Roflaschlucht. Ich muss zu Beginn die Freude über die Abfahrt einbremsen, um nicht zu schnell über die felsigen Alpweg zu fahren. Oberhalb der Talstrasse versuche ich mich auf dem parallelen Wanderweg – keine sinnvolle Idee!

Ein Verein stellt die alte Averserstrasse instand und baut zusätzliche Wanderwege entlang der Teilstücken, wo nur die Fahrstrasse durch die enge Schlucht führt. So lassen sich spektakuläre Abschnitte des alten Weges per Bike zurücklegen. Leider hat ein Felssturz nicht nur die neue Strasse, sondern auch den alten Weg mitgerissen. Auf wackeligen Baubrettern kann man mit dem Bike über den Abgrund balancieren. Die italienische Grenze des Valle di Lei führt übrigens bis auf wenige Meter an die Brücke ran.

Der weitere Wanderweg ist bis auf einen Abschnitt vor Innerferrera mehrheitlich nicht befahrbar und ich bleibe auf der Strasse. Weiter durch den Dorfkern von Innerferrera, bei La Trappla wechsle ich auf die andere Talseite und dann wieder retour auf die alternativlose Talstrasse durch die Schlucht (siehe Karte) nach Ausserferrera.

Vorbei geht’s am Boulder Mekka Magic Wood und den Ruinen der Schmelza. Die Geschichte des Bergbaus in diesem Tal wären ein eigener Beitrag und Ausflug wert. Vor der Averser Brücke biege ich ein letztes Mal auf die alte Strasse ab, bevor diese Abfahrt auf dem Parkplatz des Gasthauses Rofla endet.

Fazit: Erneut keine Singletrailtraumtour, aber landschaftlich wie kulturhistorisch ein absolutes Highlight! Für den Abschnitt Andeer – Campsut sehe ich bergauf keine sinnvolle Alternative zur Talstrasse, die auf dem Mountainbike definitiv kein Spass machen dürfte. Insofern kann ich nur die ‚Shuttle‘ Variante empfehlen. Ansonsten lohnt sich in jedem Fall die kleine ‚Stauseerunde‘ am Lago di Lei.

Statistik: 42 km, ca. 452 Höhenmeter, Fahrzeit 3:02 h, ca. 1266 Höhenmeter Abfahrt

PS: Gerne verweise ich noch auf eine Dokumentation von SRF zum Lago di Lei.

Splügen und der Pass !

Überführungsetappe: Nach dem Frühstück fahren wir von Vals in Richtung Surselva, nur um in Illanz festzustellen, dass ich den Hotelschlüssel nicht abgegeben habe. Zum Glück haben wir zwei Autos. Meine Frau fährt vorab nach Splügen, unserem heutigen Basecamp und ich nutze ausnahmsweise mal die Sporteinstellung meines Autos. 😉 Wir nutzen den angebrochenen Tag und machen einen Ausflug zum Splügenpass.

Auf der Schweizer Seite wird viel gebaut, ein Unwetter hat massive Schäden verursacht, gegen jene nun angebaut wird. Mit gefällt der Pass mit seinen Spitzkehren, welche noch nicht zu einer Alpenpass-Autobahn ausgebaut sind. Die Passhöhe und Landesgrenze ist unspektakulär, dank Corona mit täglich wechselnden Ein- und Ausreiseregeln gibt es trotzdem Nervenkitzel. Auf der Südseite besichtigen wir das langgezogene Montespluga mit seinem tiefblauen Stausee. Ich merke mir die schöne Region für eine Moutainbiketour.

Zurück auf der Schweizer Seite halten wir bei der Splügengalerie an. Um die Pässe wintersicher zu machen, wurden im 19. Jahrhundert zahlreiche dieser Lawinengalerien gebaut, welche später fast alle neueren Bauten Platz machen mussten. Am Splügen ist eine solche Galerie in renoviertem Zustand erhalten. Sehr schön, wie sich das Bauwerk in die Landschaft einfügt!

Zurück im Hotel mache ich vor dem Nachtessen eine Dorfbesichtigung durch Splügen. Auch hier zeigt sich die lange Geschichte des Ortes. Dank dem Passübergang nach Chiavenna, dem San Bernardino, den Zöllen und Säumerdiensten, hat es das Dorf zu sichtbarem Wohlstand gebracht. Schon nur wegen dem historischen Ortsbild lohnt sich eine Übernachtung im Ort.

Wir schlafen im Hotel Suretta. Im Corona-Sommer 2020 ist es nicht einfach spontan ein zahlbares Hotelbett zu finden. Im Suretta haben wir ein schönes Zimmer unter mächtigen Dachbalken – einzig zu gross sollte man nicht sein. Die ganze Nacht rauscht der Hinterrhein quasi durchs Schlafzimmer. Mich hat es nicht gestört, im Gegenteil, Wasserrauschen lässt mich immer gemütlich schlafen. Morgen geht es weiter zu abgelegenen Tälern – ins Avers.