Die Tour zum Lac de Salanfe und seinen Minen !

Letzter Tag in Vernayaz, am 1. August muss ich wieder bei der Familie sein. Nach den gemütlichen Hotelnächten und einem ungenutzten Zelt im Auto muss ich unbequemer schlafen. Ziel ist die Col du Jorat Tour mit einem Zwischenstopp in der Auberge de Salanfe. Das Auto parkiere ich am Bahnhof von Vernayaz, 24 h limitiert, das wird nicht ganz reichen, aber ich riskiere es mal. Der Mont-Blanc Express spart mir erneut 580 Höhenmeter und ich steige in Les Marécottes (1032m) aus.  

Der Zugang zum Lac de Salanfe führt über das Vallon de Van, welches geografisch nahe bei Vernayaz liegt und dennoch nur sehr schwer zugänglich ist. Zum Glück wurde von 1938 – 1944 die Route de Van relativ spektakulär in die steile Bergflanke gebaut. Der Anstieg ist angenehm und problemlos, einzig der Morgenverkehr ist auf der schmalen Strasse etwas ärgerlich. Beim Felsentunnel ist der Zugang ins Tal bereits geschafft.

Vorgängig gibt es einen epischen Blick runter nach Vernayaz und ins Walliser Knie bei Martigny. Auf der gegenüberliegenden Seite thronen die Dents de Morcles und der Montagne de Fully, kein Unbekannter für Mountainbiker. Die Strasse quert den Bach Salanfe, welcher einige Hundert Meter weiter unten für den Wasserfall der Pissevache sorgt. Für Wanderer ist der historische Weg durch die Gorges du Dailley sicher eine erlebnisreiche Abkürzung. Mich interessiert das nächste Mal eher der alte Saumweg, welcher oberhalb der Route de Van ins Tal führt – könnte fahrbar sein.

Die Auberge du Vallon de Van grüsst am Taleingang unübersehbar den Mountainbiker und fordert zwingend zum Kaffee auf. Nach dem kleinen Zwischenstopp führt das Strässchen in moderater Steigung in den Talkessel hinein. Der Weiler Van d’En Haut kommt mit seinem alten Dorfweg besonders urchig daher. Am Ende des Tales herrscht auf dem gut besetzten Campingplatz (1394m) emsiges Treiben. Kein Bedauern meinerseits hier das Zelt nicht aufgeschlagen zu haben, der Platz wird von den schattigen Felswänden fast erdrückt.

Fünfhundert Meter weiter steht man vor einer mächtigen Felswand und kann kaum glauben, dass hier ein Weg raufführt. Eine Barriere und vier Verbotsschilder schrecken bestmöglichst vom Weitergehen ab. Ich verstehe, dass in Zeiten in denen auch in der Schweiz Gemeinden verklagt werden gefährliche Wege gesperrt werden. Trotzdem wäre es besser gewesen einfach nur den unteren Satz stehen zu lassen und auf die Gefahrenursache (Steinschlag) hinzuweisen. Für Mountainbiker gibt es sowieso keinen Plan B und das Schild scheint auch heute niemanden wirklich zu interessieren. Vor dem Effort besichtige ich noch die Ruinen der ehemaligen Seilbahn, welche Kies für den Bau der Staumauer transportierte.

Hatte ich gestern gedacht, das Strässchen zum Vieux Emosson sei steil, werde ich heute eines Besseren belehrt. Hier ist es genauso steil, aber der Untergrund besteht aus verwittertem Asphalt und Schotter. Mein Ziel: Alles Fahren! Das geht nur, indem ich in jeder Kurve anhalte, die Linie wähle und dann bis zur nächsten Kurve durchdrücke, was den Puls sofort in die Stratosphäre jagt. Trotzdem echt spassig, umso mehr der Weg ein Erlebnis für sich ist. Immer wieder erstaunlich, was aufstiegsmässig so alles machbar ist – mit einem e-Bike wäre das hier wohl ein Traum. Kurz vor dem Ziel muss ich leider trotzdem auf einem längeren Schotterabschnitt gut hundert Meter schieben. 

Ein letzter Blick zurück ins Vallon de Van, bevor der Weg um die Kurve biegt und die mächtige Staumauer des Lac de Salanfe ins Bild rückt. Der Rest des Weges bis zur Auberge (1952m) ist wieder fahrbar, wenn auch nicht ganz einfach. Die Mauer selber scheint mir etwa 10m zu hoch, oder aber der Seespiegel ist schon länger nicht mehr auf Mauerhöhe gestiegen.

Auf der Terrasse geniesse ich bei Cola, Bier und einer Walliser Rösti mit Spiegelei den geschafften Aufstieg und die wunderbare Aussicht auf den Bergsee. Der Lac de Salanfe hat einer interessante Entstehungsgeschichte. Von 1950 – 52 wurde die mächtige Staumauer hochgezogen. Die täglich notwendigen 2000 Tonnen Beton wurden vor Ort produziert und mit einer talüberspannenden Seilbahn auf die Mauer verteilt.

Der Tag ist jung und weil ich heute in der Auberge übernachte habe ich Zeit um die Gegend zu erkunden oder zu scouten, wie man modern sagen würde. Der Talkessel des Lac de Salanfe ist imposant: Ein grünblauer See, eingerahmt von Dents du Midi, Tour Salière und Le Luisin. Kein Wunder spricht man vom ‚Le Cirque de Salanfe‘. Auf dem Uferweg fahre ich bis ans Seeende, dorthin wo die Wasserfassung der 4 km entfernten Susanfe aus dem Berg quillt. 

Über die geröllige Schwemmebene gibt es keinen Weg und angesichts einer Kuhherde und Schiebepassagen verzichte ich auf das Abenteuer und fahre wieder zurück in Richtung Hotel. Rechts neben dem Hotel die ‚Bergstation‘ der Standseilbahn der Kraftwerke, welche entlang der Druckleitung die 1472 Höhenmeter runter ins Kraftwerk Miéville überwindet und ebenfalls einen wintersicheren Zugang zur Staumauer bietet. Daneben die kleine Schutzkapelle. 

Auf der anderen Seeseite geht es weiter über die Staumauer, welche 2013 wegen Betonblähungen saniert werden musste. 😉 Dazu wurde die Mauer ‚eingeschnitten‘ und mit Fugen versehen. Hoffentlich wissen die Ingenieure was sie da tun – ist in jedem Fall ein komisches Gefühl darauf zu stehen und davon zu lesen. Am anderen Ufer führt ein Karrweg weiter bis in die Seehälfte, wo ich das Mountainbike in einem Busch deponiere.

Zu Fuss geht es hinauf durch das Revers des Ottans bis zu den alten Arsen- und Goldminen von Salanfe (2195m). Dabei sind die Eingänge zu den Stollen gar nicht so leicht zu finden, wenn da nicht die gut sichtbaren typischen Abraumhalden wären. Ich verzichte auf längere Erkundungen mit meiner Minitaschenlampe. Bei den brüchigen Minenstollen ist dies sowieso nicht empfehlenswert. Der Abenteuerfaktor steigt trotzdem auf 100%. 😉

Die Arbeit in den Minen 2200m Höhe muss sehr hart gewesen sein. An Tagen wie diesen hatten die Arbeiter wohl trotzdem die Aussicht genossen. Die Mine wurde von 1904 – 1928 betrieben und förderte total 709t Arsen und 53kg Gold. Mit tiefen senkrechten Stollen wurden die Adern erschlossen und das Schürfgut über 40 bzw 152m lange waagrechte Stollen abtransportiert. Dabei will ich gar nicht wissen welche Mühe es machte, den Ertrag mit Karren und Maultieren ins Tal zu transportieren. Faszinierend ! 

Neben der Mine hat man eine tolle Aussicht zum Lac des Ottens, der in magischem Türkis in die Alplandschaft leuchtet. Dahinter der Le Dôme mit dem sterbenden Glacier Noir, geteilt in einen oberen Teil und einen unteren Teil mit Todeis. Vor der Szenerie die Vereinshütte der Minenfreunde, die sich in der ehemaligen Kantine eingerichtet haben. Ich wähle erst einen ausgesetzten Wanderweg entlang der Felsfluh, der vor einem weiteren Abbruch endet. Hier geht es nicht mehr weiter und ich vermute, dass vielleicht früher eine Materialseilbahn hierher führte. In jedem Fall ist das Panorama toll. 

Im Panorama sieht man den Col de Susanfe (2493m), die Haute Cime (3258m) welche einige Cracks mit dem Mountainbike befahren und rechts der Col du Jorat (2212m), mein Ziel morgen früh. Die Wanderung zieht sich dann noch etwas in die Länge, bis ich wieder beim Bike ankomme und zurück in die Auberge fahre.

Vor dem Nachtessen gibt es Kaffee und Aprikosenkuchen, danach geniesse ich beim Bier den Abmarsch der letzten Tagesgäste bis Zeit für den Bezug des Massenlagers ist. Die Hütte ist beinahe voll und so wird mit Zetteln sichergestellt, dass auch jeder dort schläft wo es geplant ist. Wenigstens hat es Decken und moderne Duschen. Das Abendessen gibt es in zwei Ablösungen. Trotz einem starken kühlen Wind verbringe ich den Abend vor der Hütte und geniesse die abendliche blaue Stunde. 

Die Übernachtung kostet 65 CHF inkl Halbpension und Frühstück, ein fairer Preis obwohl ich nicht so toll geschlafen habe. Ich bin langsam zu alt für voll belegte Massenlager. 😉 Die Hütte hätte übrigens auch einige Zimmer – waren leider alle ausgebucht.

So, wer bisher gelesen hat – ein wunderbarer Talkessel und ideal für einen Bike & Hike, empfehlenswert! Morgen geht es über den Col du Jorat zurück ins Tal.

Statistik: 24.7 km, ca. 1359 Höhenmeter, Fahrzeit 4:28 h

Zum Lac du Vieux Emosson !

Ich habe gut gefrühstückt und für meine heutige Tour beinahe den Blick auf die Uhr vergessen. Etwas gestresst packe ich meine Sachen um rechtzeitig zum Bahnhof Vernayaz zu kommen und den 0851 Uhr Zug der Martigny – Châtelard Bahn zu erwischen. Wenigstens war ich noch früh genug um ausgiebig das Wandpanorama an den Gleisen zu betrachten, welches schön die Geschichte dieser Bahn darstellt, welche heute als Mont-Blanc Express bekannt ist.

Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit fährt die Bahn die Zahnradstrecke entlang der gestrigen Route des Diligences nach Salvan hinauf. Dank Kehrtunnel sieht man auf beiden Fensterseiten etwas. Die Fahrt kostet 6 CHF und die Velotageskarte faire 5 CHF. Der Platz fürs Velo ist aber sehr begrenzt und der Morgenzug glücklicherweise noch nicht völlig überfüllt. In Finhaut auf 1223m steige ich aus. Ziel ist die 8km lange Auffahrt zur Staumauer des Lac d’Emosson. 

Die Strasse ist breit und der Sonne ausgesetzt. Ein weiterer Grund um früh unterwegs zu sein. Der Aufstieg ist legendär, spätestens seit 2016 die Tour de France ihre 17. Etappe hier beendete. Überall entlang der Strasse wird man an dieses Ereignis erinnert. Die Km Schilder mit den Steigungsprozenten fördern die Motivation: 9% zweitgrösstes Ritzel, 10% grösstes Ritzel! Ebenfalls eindrücklich ist der massive Lawinenzug in den Spitzkehren unterhalb des Bel Oiseau. Auf mehreren Hundert Meter ist sämtliche Vegetation niedergedrückt und selbst jetzt im Juli ist die Zerstörungskraft dieser Lawine spür- und sichtbar.

Zur Talseite erweitert sich der Blick auf die Mont-Blanc Kette – von der Aiguille du Tour bis zum höchsten Berg Europas. Ein riesiger Parkplatz und der Tunnel für die rechtsufrige Strasse entlang des Lac d’Emosson kündigen den Zwischenbergpreis beim Restaurant du Barrage d’Emosson (1965m) an. Ich geniesse die Aussicht und schaue kurz im Besucherzentrum der Kraftwerke vorbei. Natürlich ist hier an so einem Prachtstag die Hölle los, schliesslich ist der See per Auto erreichbar.

Hinter dem Restaurant blickt man staunend auf die Staumauer des Lac d’Emosson. Obwohl die Natur hier fantastisch ist, hat die 180m hohe, massiv gewölbte Bogenstaumauer ihre eigene technische Faszination.

Wer den Wikipedia Eintrag nicht lesen mag – hier eine Kurzversion. 1920 hat die SBB hinten im Tal den Lac de Barberine gestaut. Die alte Staumauer ist im heutigen Stausee verschwunden und nur bei Niedrigwasser sichtbar. 1974 wurde die neue Staumauer gebaut nachdem mit Frankreich Land abgetauscht wurde um die Mauer in der Schweiz zu haben. Unglaublich ist die Tatsache, dass das meiste Wasser vom Mont-Blanc Massiv auf der gegenüberliegenden Seite stammt und durchs Tal ‚tunnelt‘. 1955 wurde oberhalb der Lac du Vieux Emosson aufgestaut und dort winkt der heutige Bergpreis.

Gemütlich geht es erst dem Stausee entlang bis zum Ort, wo einer der fiesesten Aufstiege beginnt den ich kenne. Das betonierte Strässchen hat einen genialen Grip, womit das Fahren bis zur Cabane du Vieux Emosson (2187m) machbar wird. Ich will das schaffen und fahre so langsam wie irgendwie möglich um genügend Saft in den Beinen zu haben… und es gelingt! 

Als Belohnung gibt es ein kühles Getränk auf der Terrasse und ein gutes Trockenfleischplättli zu Walliser Wucherpreisen. Aber diese Aussicht will bezahlt sein. Die Hütte steht direkt unterhalb der Staumauer und psychologisch spürt man die Millionen Tonnen Wasser bei jedem Blick auf die Mauer ‚drücken‘. 😉 

Der Berg brummt hörbar… Die Gegend ist eine riesige Baustelle. In den letzten Jahren wurde hier das Mega – Pumpspeicherkraftwerk Nante de Dranse in den Berg gebaut. Ich hoffe, dass sich dieses klassische Konzept (Mit billigem Strom das Wasser hochpumpen um es für die Stromproduktion bei hohem Bedarf wieder in den unteren See zu lassen) langfristig am Markt halten kann. Das Kraftwerk (Kaverne von 30m x 50m x 200m) ist vollständig im Berg und vom Tunneleingang auf dem obigen Bild kann man wohl mit Lastwagen direkt runter nach Le Châtelard fahren!

Überall ist man noch im Baufinish. Wegen der 20m höheren Staumauer musste der Wanderweg neu aus dem Felsen gesprengt werden – die Zünderdrähte liegen noch in der Gegend rum. Ich schiebe das Bike bis auf den Aussichtspunkt oberhalb der Staumauer und geniesse die grandiose Szenerie. Ab hier geht es hinten im Tal zu den Dinosaurierspuren und den Passübergängen nach Frankreich. Ich verzichte wegen Schneefelder auf zusätzliche Abenteuer und fahre gemütlich zurück zum Lac d’Emosson.

Anstatt mit dem Auto bietet Verticalp einen Alternativaufstieg und einen Abenteuerspielplatz der Extraklasse. Per Standseilbahn geht es von Châtelard nach Les Montuires zu einem Restaurant, Alpengarten und Spielplatz. Danach den Felsen entlang mit einer stollenbahnähnlichen Panoramabahn. Und zum Schluss per Ministandseilbahn rauf zum Restaurant an der Staumauer. Ich fahre in die umgekehrte Richtung über Schotter und einen kurzen Trail bis ins Café Verticalp zu einem göttlichen Aprikosenkuchen und zurück zur Strasse.

Für die rund 600 Höhenmeter Abfahrt nach Finhaut gibt es diverse Alternativen auf Singletrails, auf die ich aber wegen ‚zu steil‘ und ‚zu technisch‘ verzichte. Wer wissen will, wie richtige Mountainbiker diese Tour fahren, lese gerne den Bericht von Rotscher und Sven & Beat. Die ganz Harten fahren bzw tragen das Bike auch gerne mal über zwei Pässe. 😉

Ich nehme auf- und abwärts die Weicheivariante und fahre mit Highspeed runter nach Finhaut und auf der Strecke von gestern auf der Route des Diligences weiter nach Vernayaz. 1883 Höhenmeter Abfahrtsrausch, nicht auf Singletrails, aber trotzdem genial.

Zurück ins Hotel und heute Dienstag hat zum Glück die Pizzeria des Dorfes geöffnet… Pizza zum Zweiten… 😉

Statistik: 39.8 km, ca. 1123 Höhenmeter, Fahrzeit 3:37 h, ca 1883 Höhenmeter abwärts

Die Route des Diligences – Vallée du Trient !

Meine Bikeferien finden heuer in verkürzter Form während vier Tagen vor dem 1. August statt. Ziel ist die Region Vallée du Trient. Schon vor längerer Zeit faszinierte mich das Tal, welches Chamonix mit dem Wallis verbindet. Zum Auftakt will ich die Tour ‚Route des Diligences‚ befahren und stehe entsprechend früh auf, was mit einem magischen Sonnenaufgang am Lac de Gruyère belohnt wird. Meine temporäre Homebase habe ich in Vernayaz (453m) und so startet die Tour auf rassigen Trails entlang des Mont d’Ottan, gefolgt vom Aufstieg auf der Strasse von Martigny nach Gueuroz. Das GPS zickt weiterhin rum und lässt sich nur durch Abschalten der GLONASS Satelliten beruhigen (PS: Mit der Update der Firmware auf die Version 5.60 wurde das Problem nun endlich behoben!)

Wie die Anfahrt zeigt, ist das Vallée du Trient auch heute nur über abenteuerliche Strassenbauten erreichbar. Der Pont de Gueuroz überspannt die George du Trient in fast 190m Höhe – eine ingenieurtechnische Meisterleistung, sicher für die alte Brücke von 1934, aber auch die danebenliegende neue Brücke lässt sich sehen. Bevor man links ins Dorf Gueuroz (646m) abbiegt – zwingend die Brücken befahren und staunen!

Es folgt ein gemütlicher Aufstieg auf einer alten Schotterstrasse durch die südliche Flanke des Vallée du Trient. Die Route ist einsam und verläuft völlig im Wald – sehr angenehm an einem heissen Sommertag. Während ich noch über die gnädigen Steigungsprozente sinniere, folgt ab 830m der Hammer – ein sacksteiler, kurviger Anstieg hinauf zum Weiler la Crettaz (1082m). Es kostet ziemlich Überwindung und eine Portion Sturheit um nicht abzusteigen. Ein Blick auf die Karte zeigt wie abgelegen dieser Ort ist und trotzdem hat es heute Morgen erstaunlich viele Leute vor den Häusern. 

Der weitere Wegverlauf nach Planjeur zeigt den wahren Charakter der Tour. Die Schotterstrasse verwandelt sich in einen Pfad, der sich den Weg durch die steilen Felsflanken der Schlucht sucht. Immer wieder muss man absteigen und das Mountainbike schieben. Hauptproblem sind nasse Steine und Wurzeln und etwas fehlendes Selbstvertrauen. Der Weg selber ist nur an wenigen Stellen wirklich ausgesetzt aber gefühlt folgt fünf Meter neben dem Weg ein imaginärer Basejump Absprungpunkt in die George du Trient nach dem anderen. 

Weiter geht es auf einer gemütlichen Schotterstrasse, die in Richtung der Forclaz Passstrasse und auf einer Brücke von 1931 über die Trient führt. Heute ist diese Strasse der Hauptzubringer zwischen dem Wallis und Chamonix und umfährt damit das Vallée du Trient über weite Strecken. Einige Hundert Meter auf der breiten Strasse sind unvermeidlich, bis bei der Tête Noir das nächste historische Wahrzeichen folgt. 

An diesem exponierten Punkt mit weitem Blick ins Tal stand früher das Hotel ‚Tête Noire‘, im 19. Jahrhundert europaweit bekannt, 1964 geschlossen und 1974 vollständig abgebrannt. Aus der Touristenhochzeit stammt ebenfalls der Naturrundweg hinunter in die Gorges Mystérieuses‚. Ich verzichte auf den Ausflug zu Fuss und nehme die alte Passtrasse durch einen eindrücklichen Felstunnel von 1827. Dabei wird der Wanderweg zunehmend abenteuerlicher und ich muss öfters absteigen.

Den Abschnitt vom Pt 1102 bis Barmarosse / Kraftwerk Trient taufe ich im Kopf ‚Goblinweg‘. Der Pfad windet sich verschlungen durch moosbedeckte Felsen und an ein Fahren ist nicht zu denken. Obwohl kurz, ist der Abschnitt echt mühsam und nicht zu empfehlen – die Eisentreppen zum Schluss bestätigen diese Einschätzung. Was sagt das Ride Magazin: ‚Gut tauglich für e-Mountainbikes‘. Ich lache und lache und…! Deshalb mein Tipp: Auf der Strasse runter nach Le Châtelard fahren. 

Le Châtelard (1121m) ist zur Zeit geprägt von den Bauarbeiten für das neue Kraftwerk am Lac Emosson. Die zahlreichen alten Baracken des früheren Kraftwerkes ‚Nant de Dranse‘ sind bereits abgebaut und wurden mit den Containerstapel für die Bauarbeiter ersetzt. Das Dorf ist dominiert durch den Ausgleichstausee, welcher auf der Karte schöner ist als in der Realität. Interessantes Detail: Die Landesgrenze zu Frankreich verläuft wenige Meter hinter dem Dorf und nicht wie man vermuten könnte auf der Wasserscheide des Col des Montets (1461m). 

Ich bleibe heute auf Schweizer Boden und fahre das steile Strässchen in Richtung Giétroz hinauf. In einer Serpentine überholt mich ein anderer Mountainbiker – und verhinderte, dass ich an dieser steilen Stelle vom Rad ging. Eine kurze Pause gibt es bei der Unterquerung der Standseilbahn über die ich im nächsten Beitrag berichten werde. Beim Chalet Echelle ist das Gröbste geschafft und etwas später erreiche ich auf 1325m den höchsten Punkt der Tour.

Nach einigen angenehmen Kilometer auf dem schönen Strässchen in der Talflanke treffe ich in Finhaut ein. Helene, die Wirtin des Restaurant Beau-Soleil serviert mir ein Mittagessen. Das Restaurant ist ein echtes Unikum und ich geniesse die Sonne auf der Terrasse, das Cordon Bleu und die tolle Rösti. Die Wirtin gibt mir Lesestoff über das Dorf und die Region und ich lerne einige Kuriositäten, wie beispielsweise die Tatsache, dass hier das Trinkwasser so radioaktiv aus dem Fels kommt wie sonst nirgends in der Schweiz. Das war früher das Alleinstellungsmerkmal für Gesundheitskuren in Finhaut. 😉

Gestärkt schaffe ich die letzten Höhenmeter bis ins Oberdorf und zum Einstieg in die historische Route des Diligences. Der Postkutschenweg führt nun auf Schotter und in vielen Kehren hinunter nach Le Trétien (1021m). Immer im Blick das Trassee der Martigny – Châtelard Bahn, deren Geleise sich ebenfalls durch die steile Talflanke kämpfen. Man sieht dem Weg die historische Wichtigkeit an. Die Steigung ist sorgfältig austariert und eindrückliche Trockenstützmauern und Randsteine säumen den Weg. Besonders Spass machen die Spitzkehren bei La Cha.

Nach Trétien ist der Weg wieder asphaltiert und führt durch die Gorges du Trièges, ebenfalls einen kurzen Halt wert. Weiter durch eine Steinschlaggalerie zurück in die Menschenmassen. Der Zoo und das Felsenschwimmbad Les Marécottes sind an diesem warmen Sommertag ein Ausflugsmagnet für Familien. Ich vermeide die Hauptstrasse und fahre auf Nebenwegen hinunter nach Salvan (929m), wo es neben der Kirche nochmals ein kühles Cola gibt.

Das Dessert folgt in Form der Abfahrt auf der Route de Diligence, die sich auf 37 beschrifteten Spitzkehren runter ins Tal nach Vernayaz windet. Was bereits auf der Karte eindrücklich aussieht, ist in der Realität noch viel interessanter. Was für ein Bauwerk aus dem Jahre 1867! Nicht minder spannend die Zahnradbahn, welche dank eines Kehrtunnels ebenfalls die Höhe überwindet. 1906 wurde die Bahnlinie gebaut und machte damit den Postkutschenweg de facto überflüssig. Schön hat der Weg bis heute überdauert. Die Route de Diligence ist sowohl ein bekannter Wanderweg, wie auch eine Etappe der Via Cook und liegt damit am Urspung der Schweizer Tourismusgeschichte.

Dieser Fotostopp mit einem wunderbaren Ausblick hinunter bis Saint-Maurice darf man trotz dem Abfahrtskurvenrausch nicht verpassen. Gelegenheit um die Tour in Gedanken Revue passieren zu lassen. Beim Kraftwerk Vernayaz ist der Spass zu Ende. Der Talboden, auf dem die Aprikosenplantagen ihren süsslichen Duft verströmen, hat mich wieder

Wer noch Lust auf mehr hat, biegt links auf den spassigen Waldtrail zum Wasserfall Pissevache ein. Im Wald vor dem Wasserfall finden sich die Ruinen eines alten Holzverarbeitungsbetriebs, der von der Wasserkraft profitierte. Eigentlich wollte ich aus Nostalgie im Hotel La Cascade übernachten, in welchem ich schon vor Jahrzehnten in den Vor-Mountainbike-Zeiten war und damals die ganze Umgebung zu Fuss erkundet hatte. Heute ist das Hotel leider geschlossen, wie übrigens auch der daneben liegende Campingplatz.

Hoffentlich ist das nicht für immer so, denn der Wasserfall ist weiterhin eine Augenweide und man kann sich trotz alter Bilder kaum vorstellen, wie früher die Salanfe ins Tal schoss, bevor das Wasser für den Stausee und die Stromproduktion abgezweigt wurde.

Müde und zufrieden fahre ich ins Hotel. Nach dem Duschen muss ich feststellen, dass es mitten in den Sommerferien an einem Montag in Vernayaz nirgends etwas zu essen gibt! Also ab in den Zug und auf eine gute Pizza nach Martigny.

Fazit: Wer den Beitrag bis hier unten gelesen hat, begreift wie spannend und abwechslungsreich diese Tour ist. Es gibt einen uneingeschränkten Daumen hoch!

Statistik: 41.4 km, ca. 1375 Höhenmeter, Fahrzeit 4:47 h

Terre Valserine – La Voie du Tram !

Einige Touren brauchen etwas länger, bis sie unter die Räder kommen. So geschehen mit der Tour ‚La Voie du Tram‚ in der Region ‚Terre Valserine‚. Beim ersten Versuch Mitte Mai schaffte ich es nur bis zum Startparkplatz zwischen Bellegarde-sur-Valserine und Lancrans, als die ersten Regentropfen fielen. Alles wieder eingepackt und eine Autotour durchs ganze Valserine gemacht, bis La Cure – übrigens auch eine Empfehlung. Das zweite Mal hatte es ab Genf so viel Stau, dass ich noch vor Bellegarde entnervt umkehrte. Heute bei 34° C und schönem Wetter hat es nun geklappt.

Die Strecke führt alles auf der eingestellten Tramlinie von Bellegarde-sur-Valserine nach Chézery-Forens. Besonders die ersten Kilometer bis zur Brücke sind auf Schotter und ein Genuss. Danach geht es leider auf Asphalt weiter, die wilde Juraregion entschädigt für den harten Untergrund. Auf der Strecke sind 13 Schilder aufgestellt, die im Detail die Geschichte des Trams nacherzählen, faszinierend. Zusätzlich stehen am Wegrand 10 Northshore-Elemente, von leicht bis schwer, eine tolle Idee, welche die leichte Steigung mit dem Mountainbike sehr kurzweilig macht.

Das Tram fuhr von 1912 bis 1937 und es ist nicht wirklich erstaunlich, dass sich die Linie ins Nirgendwo finanziell nicht lohnte. Aber zur Jahrhundertwende baute man ja wie verrückt überall Eisenbahnen hin. Wer mehr wissen will zur Geschichte des Trams findet auf Wikipedia und hier weitere Infos.

In Confort erinnert ein Restaurant in einem Eisenbahnwagen ebenfalls an das Tram. Gleich danach sehe ich an einem Baum erneut einen Aushang bezüglich zweier vermisster Hunde. Wow, die Langhaardackel sind echte Ausreisser, wenn sie von hier über die höchste Jurakette gelangt sind! Mehr dazu in diesem Beitrag. Nun geht es die steile Bergflanke runter in die Schlucht und Mann staunt über die Idee erstens hier ein Tram zu bauen und zweitens noch die Valserine zu überwinden.

Höhepunkt ist definitiv der Tramviadukt über die Schlucht, der Pont du Moulin des Pierres. Zu ihrer Zeit war das Bauwerk mit 65m Spannweite und über 80m Höhe eine der grössten Mauersteinbrücken der Welt. Die Bilder der Holzkonstruktion für den Bau sind sehenswert. 1944 wurde die Brücke durch die Résistance gesprengt und 1954 nach dem Krieg als Stahlbetonbrücke wieder aufgebaut. Wenn die Brücke der Star ist, ist die Schlucht der Valserine, mit ihren steilen und tief abfallenden weissen Kalksteinwänden im grünen Waldmeer, die grandiose Naturbühne.

Ab hier wurde das Tramtrassee zu einer breiten Strasse, der D14, ausgebaut. Kurz profitiere ich noch vom schattigen Wald, bevor ich in der brütenden Abendsonne nach Montanges hinauffahren muss. Der flache Steigungswinkel und die langgezogenen Kurven lassen den Ursprung der Strassenführung deutlich erkennen. Montanges ist eines der vielen Villages Fleuris in Frankreich, leider nur eine Blume, die kriegt man wohl mit einigen Blumentöpfen am Dorfein- und -ausgang. Trotzdem, schön die Blumen!

Das Dorf Champfromier glänzt mit einer alten Brücke, die mich ein wenig an die berühmte Brücke von Mostar erinnert. Der Flurname ‚Le Pont d’Enfer‘ weist zusätzlich auf uns Schweizern nicht unbekannte Brückenlegenden hin – obwohl es sich hier sicher um eine andere Deutung handelt. Alles zu Champfromier kann man hier nachlesen. Nach dem Dorf geht es nochmals rauf und ich kämpfe wirklich sehr mit der Hitze und den unverhofften Höhenmetern. Da kommt der kurze Abschnitt durch den dunklen, kühlen Tramtunnel wie gerufen.

Mal auf dem alten Trassee, mal auf der Strasse, fährt man hinunter nach Chézery-Fornens. Ich bin richtig ausgepumpt, so eine Tour nach einem heissen Arbeitstag ohne Mittagessen ist keine gute Idee. Zum Glück rettet mich der kalte Teller und der Liter San Pellegrino im Hotel – Restaurant du Commerce. Sowohl Bedienung wie Küche ist lokal, rustikal – sehr gut! Bis auf eine Familie, die wohl Eseltrekking macht, und mittelaltermässig im Gasthaus gegenüber die Esel unterstellt, läuft hier wenig bis nichts.

Für die Rückfahrt versuche ich zu viel Höhenmeter zu vermeiden und nehme das linke Flussufer über die D991. Die Strasse führt durch einen wunderbaren grünen und natürlichen Wald, immer steil der Fluh entlang und immer abwechslungsreich. Öfters gibt es grandiose Ausblicke über das Valserine und die geologisch sehr interessante Region rund um Bellegarde. Trotzdem bin ich froh endlich die Scheitelhöhe erreicht zu haben und ab Confort runter auf den Tramway abzubiegen,

Fazit: Auf ehemaligen Eisenbahnlinien kann man als Radfahrer selten etwas falsch machen. Für mich war das wieder eine Tour, die Naturerlebnis und Kulturgeschichte perfekt in Einklang bringt. Überhaupt ist die Region sehr abwechslungsreich, relativ unbekannt und trotz der Nähe zu Genf wilder als man denkt. Nur Trails gibt es keine, dafür kann man etwas auf den kurzen Northshore Elementen spielen.

Statistik: 32.6 km, ca. 520 Höhenmeter, Fahrzeit 2:08 h

Wandbild VII

Und wieder Mal ein Wandbild, wobei es eher ein Trafokastenbild ist. Jemand hat den Kasten beim Muttenhof auf dem Veloweg in Richtung Solothurn mit diesem lustigen, traurigen roten Kerl bemalt. Die Hasenzähne hätte es übrigens so gar nicht gebraucht, der Gesichtsausdruck mit den paar Pinselstrichen regt bereits genügend zum Denken an.